Klimafonds-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes beschleunigt Sozialabbau

Wer zahlt ist klar

Zugegeben, manchmal hat auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lichte Momente. „Wenn diese Klage erfolgreich ist, das würde Deutschland wirklich wirtschaftspolitisch hart, hart treffen. Wahrscheinlich so hart, dass wir das nicht bestehen werden“, orakelte er am 21. Juni im Bundestag. Was die „erfolgreiche Klage“ betrifft hat er recht. Gemeint ist die von 197 Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion eingereichte Verfassungsklage gegen die von der Ampelregierung im Februar 2022 beschlossene Umleitung von 60 Milliarden Euro aus „unverbrauchten“ Corona-Mitteln in den „Klima- und Transformationsfonds (KTF)“.

Durch die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verfügte Nichtigkeit dieses offensichtlich verfassungswidrigen Transfers klafft nun ein entsprechend großes Loch im KTF. Hektische Betriebsamkeit in den Führungsetagen des Wirtschafts- und Finanzministeriums ist die Folge. Der aufgestellte Wirtschaftsplan des KTF für die Jahre 2024 – 2027, der im August noch um 30 Milliarden Euro auf ein Volumen von rund 212 Milliarden Euro aufgestockt worden ist, muss nun auf circa 150 Milliarden zusammengestrichen werden. Von den anstehenden Kürzungen werden vor allem zwei Posten betroffen sein, die unmittelbar die Verbraucher treffen: Absenkung der Bundeszuschüsse zur „Stabilisierung“ der Energiepreise (Folge: beschleunigte Verteuerung von Wärme, Strom und Treibstoff) und die (zumindest teilweise) Streichung der Fördermittel für die Gebäudesanierung. Letzteres wird Robert Habecks Wärmepumpenoffensive weitgehend zum Erliegen bringen. Es sei denn, er besorgt sich die „gelöschten 60 Milliarden“ (Finanzminister Christian Lindner) auf andere Weise.

Wie immer, wenn der Staat Geld braucht, das der Wirtschaft fehlt, sind die selbsternannten „Finanzexperten“ nicht weit. Sie wissen, bei wem noch was geholt werden kann. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm vertraut auf den Grundsatz, der Markt werde es schon richten, und empfiehlt „die CO2-Bepreisung (zu) stärken und die Härten über ein Klimageld ab(zu)federn“. Klimageld? Das hatte die Ampel vor zwei Jahren wegen der damals schon gestiegenen Energiepreise versprochen, konkret wurde es bis dato nie. Grimms Kollege, der Ökonom Achim Truger, seines Zeichens Träger des „Progressive Economy Award“, verliehen von der Fraktion der Sozialisten im EU-Parlament, rät, die weggebrochenen Finanzmittel durch einen befristeten „Energie- oder Klima-Soli“ zu ersetzen. Dann doch lieber „klassisch“ kürzen – aus dem grünen Familienministerium von Lisa Paus ist zu hören, Elterngeldkürzungen oder einfach die Elternzeit von drei auf einen Monat zu reduzieren, könne auch ein Ausweg sein. Wem hier „der Boden unter den Füßen weggezogen wird“, um im Habeck-Sprech zu bleiben, dürfte klar sein.

Darüber täuscht auch die pseudoradikale Häme der Hauptstadtpresse nicht hinweg, die in der Karlsruher Entscheidung eine „Klatsche“ oder „Ohrfeige“ sieht und die bange Frage aufwirft, ob jetzt die Fortschrittskoalition am Ende sei. Der Skandal liegt woanders. Das BVerfG rügte allein, dass die Regierung Geldmittel aus einem Topf, auf dessen Deckel „Corona-Mittel“ stand, in einen anderen Topf namens „Klimafonds“ übertragen hat, ohne das ausreichend begründet zu haben. Das ist alles. Beim nächsten Mal lässt sich das mit der gut entlohnten Kraft der Hirne hunderter Ministerialjuristen und ausgelagerter „Law-Firms“ sicher besser machen.

Über etwas ganz Einfaches spricht Karlsruhe nicht: Den Grundsatz der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit. Das Prinzip kennt jeder, der schon mal seine Steuererklärung gemacht hat und weiß, dass man nicht mehr ausgeben kann, als man in der Tasche hat. Anders in Berlin: Da gibt es einen Bundeshaushalt mit einer Schuldenbremse, die immer dann relevant wird, wenn Ausgaben für Soziales und Bildung eingefordert werden. Daneben, oder besser gesagt: dahinter, existierten 29 Sondervermögen, die eigentlich Sonderschulden sind und haushaltsrechtlich (das ist ihr Sinn) mit dem Bundeshaushalt oder gar einer Schuldenbremse nichts zu tun haben. Im buchhalterischen Nirwana geparktes Geld, das freigiebig in Bundeswehr, Rüstung, Krieg, und die „Wirtschaftsstabilisierung“ fließt.

Der Bundesrechnungshof beziffert das Volumen auf 869 Milliarden Euro, 90 Prozent davon sind Schulden. Im Jahr 2023 betrugen die Einnahmen des Bundes 278,8 Milliarden Euro. Um ein letztes Mal mit Habeck zu sprechen: Das ist kein Bankrott, der Staat hat nur dreimal weniger Geld, als er ausgeben dürfte.

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"Wer zahlt ist klar", UZ vom 24. November 2023



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