Bei den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Bund und Kommunen in Potsdam appelliert die Gegenseite an die Gewerkschaften, bei ihren Forderungen doch bitte die besondere Situation der öffentlichen Arbeitgeber zu berücksichtigen. Dass diese „besondere Situation“ zumindest bei den Kommunen in erster Linie mit der Politik des Bundes zu tun hat, der den Kommunen Aufgaben überträgt, ohne gleichzeitig für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen, wird dabei natürlich verschwiegen.
Noch im Mai 2020 forderten ver.di und der Deutsche Städte- und Gemeindebund in einer gemeinsamen Pressemitteilung einen Rettungsschirm für die Kommunen. „Die Kommunen sind, wie zuletzt bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, für die Bürgerinnen und Bürger da. Sie tragen die Verantwortung für die Bewältigung der Krise, müssen zusätzliche Kosten tragen und gleichzeitig Einnahmeausfälle verkraften. Gerade in der jetzigen Situation ist es wichtig, dass die Städte und Gemeinden handlungsfähig bleiben“, so Erster Bürgermeister Dr. Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), und Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des DStGB. Die Länder seien aufgefordert, die Mittelzuweisungen im kommunalen Finanzausgleich im laufenden Jahr und in den Folgejahren zu erhöhen und den Kommunen die notwendigen Mittel zur Bewältigung der aktuellen Situation zur Verfügung zu stellen. Die Kommunen dürften derzeit nicht in die Situation kommen, finanzielle Engpässe durch überhöhte Kassenkredite überbrücken zu müssen. Hier sollte der Bund die Länder finanziell unterstützen. Dies sei Teil der Aufgabe, gleichwertige Lebensverhältnisse zu ermöglichen.
„Bei den Zukunftsinvestitionen muss es jetzt darum gehen, Beschäftigung zu erhalten und zu sichern und gleichzeitig den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft voranzutreiben. Die Stärkung der sozialen Sicherungssysteme, der Tarifbindung, der Arbeitnehmerrechte und der Daseinsvorsorge stehen im Mittelpunkt eines Investitions- und Konjunkturprogramms. Für Zukunftsinvestitionen und die Sicherung der Daseinsvorsorge ist eine höhere Staatsverschuldung vertretbar und jetzt auch notwendig“, ergänzte ver.di-Vorsitzender Werneke in der Pressemitteilung.
Allerdings gab es bereits vor der Pandemie einen erhöhten Personalbedarf in den Kommunalverwaltungen durch die verstärkte Kommunalisierung von Aufgaben und veränderte gesetzliche Anforderungen an die Kommunen (vor allem in sozialen Aufgabenbereichen, siehe das sogenannte „Gute-Kita-Gesetz“). Viele Kommunalverwaltungen haben heute eine Grenze der Personalentwicklung erreicht, bei der die Mehrbelastung nur noch durch erhebliche Abstriche an der Qualität der erbrachten Leistungen kompensiert werden kann. Nach dem Personalabbau durch Privatisierung und Ausgliederung von Abteilungen in Eigenbetriebe war der nächste Schritt die „innere Verschlankung“ der Kommunalverwaltung im engeren Sinne. Inzwischen gehen Personaleinsparungen nur noch zu Lasten der Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Und zu Lasten der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Steigende Krankenstände sind ein Indikator für diese Entwicklung.
Zwar gab es in den letzten Jahren einen Beschäftigungszuwachs, auch bedingt durch den Ausbau der Kindertagesstätten. Im engeren Bereich der kommunalen Verwaltung in Deutschland arbeiten heute jedoch 34 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Beschäftigten in der Kommunalverwaltung.
Bereits heute gehört mehr als ein Viertel der Beschäftigten im engeren Bereich der Kommunalverwaltung zu den rentennahen Jahrgängen. Eine „Branchenanalyse Kommunalverwaltung“ der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2016 geht davon aus, dass bis zum Jahr 2023 rund 100.000 Stellen in der Kommunalverwaltung neu besetzt werden müssen, wenn das Beschäftigungsniveau des Jahres 2016 gehalten werden soll.
Seit einigen Jahren ist in diesem Zusammenhang die „Entdeckung“ und vielfältige Nutzung befristeter Arbeitsverträge durch öffentliche Arbeitgeber in der Kommunalverwaltung zu beobachten. Die Zahl der befristet Beschäftigten ist im Bundesgebiet von 2003 bis 2013 um 17 Prozent gestiegen. Trotz schwieriger zu besetzender Stellen greifen die Kommunen nach wie vor auf Befristungen zurück, um zum Beispiel Auflagen aus Haushaltssperren, Sparprogrammen und Wiederbesetzungssperren zu umgehen.
Das Grundproblem der Kommunen, die chronische Unterfinanzierung, kann nicht durch „Enthaltsamkeit“ bei Lohnforderungen gelöst werden, sondern, wie ver.di gemeinsam mit den Personalräten der Kommunen fordert, durch eine ausreichende Finanzierung der Kommunen durch Bund und Länder. Zum Beispiel durch die Finanzierung gesetzlicher Vorgaben für die Kommunen durch den Bund, einen höheren und weniger schwankenden Anteil an den öffentlichen Einnahmen und einen Altschuldentilgungsfonds. Geld ist genug da, wie der Rüstungswahnsinn zeigt.
Unser Autor ist ehemaliger Personalratsvorsitzender eines Betriebs der Stadt Osnabrück.