Heute vor 100 Jahren strebte der Wahnsinn der damaligen Inflation seinem Höhepunkt entgegen. Ende Oktober kostete morgens ein Graubrot 770 Milliarden Reichsmark und abends schon wieder einige Milliarden mehr. Der Spuk endete erst mit der Einführung der Rentenmark am 15. November 1923. Im Ergebnis waren alle auf dem Prinzip „Mark ist Mark“ aufgebauten Altersversorgungssysteme der breiten städtischen Bevölkerungen komplett vernichtet. Ebenso alle Anleihen, die den Arbeitern mit Aussicht auf einen nahen Sieg der Reichswehr im Völkergemetzel 1914 bis 1918 mit allen damals vorhandenen Propagandamitteln aufgenötigt worden waren. Weder SPD noch die von ihr geführte Gewerkschaftsbewegung setzten diesem Kurs auf nachholende Kriegsfinanzierung durch Massenverelendung einen ernsthaften Widerstand entgegen – der kam vor allem von der KPD, die damals im Kampf gegen die Inflation zur Massenpartei heranwuchs.
So wie der erste Weltkrieg die letztliche Ursache für die Inflation vor 100 Jahren war, war der Vietnam-Krieg die entscheidende Ursache für den Inflationsschub vor 50 Jahren. Weil er sich damals nicht zum Weltkrieg ausweitete, blieb die Inflation im einstelligen Bereich. Sie führte wie die vor 100 Jahren und die heutige zu einer Vertiefung der sozialen Kluft zwischen Armen und Reichen. Das hing vor 100 Jahren wie vor 50 und heute wieder auch damit zusammen, dass die Gewerkschaftsführungen, dominiert von der SPD, sich scheuten, den ökonomischen Kampf mit dem politischen zu verbinden.
In dem jetzt erschienenen Jubiläumsheft der „Marxistischen Blätter“ ist ein Artikel von Werner Cieslak aus Wanne-Eickel, damals Sekretär beim Parteivorstand der DKP, aus dem Jahre 1973 nachgedruckt. Er konstatierte damals, dass letztlich der „große Druck, der von einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung ausgeht“, Abschlüsse zur Reallohnsicherung verhindert habe. Er verweist aber auch darauf, dass es häufig gleich nach den Tarifabschlüssen wieder zu neuen Streik- und anderen Kampfmaßnahmen kam, als sich abzeichnete, dass die Versprechungen auf ein Abflauen der Inflation nicht hielten. Das könnte Hoffnung für die heutige Zeit geben, in denen die Gewerkschaftsführung mit Rücksicht auf den Kriegskurs der Bundesregierung deutlich zu defensiv auftritt.