Wer sich mit der aktuellen Situation der Deutschen Bahn (DB) beschäftigt, kommt um ein Thema nicht herum: die Zerschlagung der DB AG. Gemeint ist die Trennung von Schienennetz und Bahnbetrieb, die dazu führen würde, dass die Züge nicht dem gleichen Konzern gehören wie die Schienen, über die sie rollen. Über die Struktur der DB AG entscheidet der Bund als Eigentümer. Angesichts der Bundestagswahl am 23. Februar flammt die Debatte erneut auf.
In ihrem Wahlprogramm fordern CDU und CSU: „Für mehr Wettbewerb müssen Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden.“ Auch FDP und Grüne waren vor vier Jahren, während der Koalitionsgespräche der Ampel-Parteien, offen für eine Zerschlagung. Gebremst wurde das Vorhaben zunächst durch die SPD – faktisch hat sie aber in ihrer Regierungszeit die Weichen dafür gestellt. Seit 2024 werden in dem eigens dafür gegründeten Konzernunternehmen DB InfraGO AG die für die Infrastruktur relevanten Betriebe zusammengeführt. Den Anfang haben DB Netz und DB Station&Service gemacht, die sich um das Schienennetz beziehungsweise um die Personenbahnhöfe kümmern. Weitere Unternehmen wie die DB Kommunikationstechnik folgten.
Wer die Zerschlagung will, hat jetzt also leichtes Spiel: Die InfraGO, bei der sich der Investitionsstau allein für das Schienennetz auf über 90 Milliarden Euro beziffert, würde in Staatshand bleiben – der Rest wird verkauft. Am Ende könnten private Unternehmen ihre Gewinne auf den Gleisen fahren, die von Steuergeldern teuer instandgesetzt werden müssen. Allerdings locken die Gewinne erst, wenn das Netz wieder belastbar und funktionstüchtig ist. Deswegen äußerte sogar Verkehrsminister Volker Wissing im Dezember letzten Jahres Kritik an der Forderung nach einer Zerschlagung. Seine Zweifel dürften nur so lange halten, bis die Infrastruktur wieder instandgesetzt ist. Dann nämlich geht auch er von einer „Verbesserung“ durch „mehr Wettbewerb auf der Schiene“ aus.
Schon jetzt sind die Folgen von drei Jahrzehnten der Unterfinanzierung deutlich zu spüren: Zugausfälle, Verspätungen, kaputte Klimaanlagen oder verschlossene Toiletten sind auf marode Infrastruktur, veraltete Technik oder zu wenig Personal zurückzuführen. Bahnbeschäftigte sehen oft nur noch mit Unverständnis auf die Zustände. Nun schrumpfen die zugesagten Investitionen erneut und im Zuge der Sanierung soll auch noch weiteres Personal abgebaut werden.
Die Forderung nach der Zerschlagung der Bahn reiht sich ein in andere Angriffe auf die öffentliche Daseinsvorsorge. Dank der Krankenhausreform gibt es laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spätestens in zehn Jahren „ein paar Hundert Krankenhäuser weniger“. Der Öffentliche Dienst, in dem der Tarifkampf gerade startet, wird weiter kaputtgespart. Nach Angaben der DGB-Gewerkschaften sind eine halbe Million Stellen unbesetzt – unter anderem fehlen Erzieherinnen und Erzieher, Busfahrer und Feuerwehrleute. Gleichzeitig fahren Energiekonzerne und die Deutsche Post AG zulasten der Bevölkerung Rekordgewinne ein – beides Bereiche, die früher in öffentlicher Hand lagen.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wehrt sich gegen diese Entwicklungen. Für Montag ruft sie zu einer bundesweiten Demonstration nach Berlin auf. Parallel läuft die neue Tarifrunde mit der DB AG an. In den Verhandlungen, die am vergangenen Dienstag begonnen haben, fordert die Gewerkschaft unter anderem 7,6 Prozent mehr Lohn für alle Beschäftigten, weitere Zahlungen und mehr Urlaub für Schichtarbeitende sowie ein Zusatzgeld für EVG-Mitglieder.
Die Zerschlagung ist offiziell nicht Gegenstand der Tarifrunde. Trotzdem spielt der Arbeitskampf eine wichtige Rolle: Je kämpferischer die Beschäftigten jetzt für ihre Interessen eintreten, desto stärker wachsen sie zusammen – und desto geübter und erfahrener werden sie sich gegen die Zerschlagungs- und Privatisierungspläne wehren können. Dieser Widerstand ist bitter nötig, wenn sich die Kolleginnen und Kollegen nicht vereinzelt und geschwächt in den zerschlagenen Betrieben wiederfinden möchten. Mit 83 Prozent Streikbereitschaft unter den EVG-Mitgliedern ließe sich einiges bewegen.
UZ-Hintergrund Zur Situation der DB AG