Zum Chaos rund um das „Deutschlandticket“

Wer weiß das schon

Das 49-Euro-Ticket kommt im April. Vielleicht dauert es auch bis Mai. Möglicherweise fällt es ganz ins Wasser. Das ist in etwa der Stand bei einem der populärsten und prestigeträchtigsten Vorhaben der Ampel-Koalition. UZ-Leserinnen und -Leser kann das Chaos der letzten Tage kaum überraschen. Sie wussten schon, dass das „Deutschlandticket“ hoffnungslos unterfinanziert ist, als die bürgerliche Presse noch den Start für Januar ankündigte. Auch Gewerkschaften, Beschäftigte und Verkehrsverbünde wussten es. Die Kommunen hatten so eine Ahnung. Nur Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seine Ampel-Freunde schienen von jeglicher Sachkenntnis unbefleckt.

Nun kommt es, wie es kommen musste. Die Länder fordern eine Nachschusspflicht des Bundes, falls das Ticket teurer wird (wird es bestimmt!). Die Verkehrsgewerkschaft EVG fürchtet, dass Kapazitäten abgebaut werden. Kommunen und Verkehrsunternehmen drohen gar damit, das Ticket zu blockieren. 111 Betriebs- und Personalräte in Nahverkehrsunternehmen forderten kürzlich eine bessere Personaldecke, die dauerhafte und ausreichende Finanzierung des „Deutschlandtickets“, zusätzliche Mittel für eine Verdoppelung des
ÖPNV-Angebotes und eine Entlastung der Kommunen.

Diese gemeinsame Erklärung ist wichtig und vorausschauend. Im kommenden Jahr finden die Tarifrunden im Öffentlichen Dienst und bei der Bahn statt. Zum Jahresende läuft dann auch der Tarifvertrag für den Nahverkehr (TV-N) in mehreren Ländern aus. Die ÖPNV-Beschäftigten wissen genau, dass es um ihre Löhne geht, wenn die verkorkste Nahverkehrsreform zu Spar-zwängen führt. Sie können sich die Bedingungen für ihren Arbeitskampf vorstellen, wenn die Busse noch seltener kommen und die Bahnen noch voller sind. Das „Deutschlandticket“ könnte zum Faktor im Tarifkampf werden und den Arbeitgebern einen weiteren Anlass liefern, um frustrierte Fahrgäste und überarbeitete Angestellte gegeneinander auszuspielen.

Und was sagt Volker Wissing dazu? „Niemand weiß heute exakt, was die Einführung des 49-Euro-Tickets im nächsten Jahr genau kosten wird“, erklärte der Minister in der „Welt am Sonntag“. Ja, wer weiß das schon? Man könnte ein paar Leute fragen, zum Beispiel UZ-Leserinnen und -Leser, die Gewerkschaften, die Beschäftigten, die Verkehrsverbünde, Kommunalpolitiker …

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"Wer weiß das schon", UZ vom 9. Dezember 2022



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