Rüstungsfinanzierung auf Pump endet im Krieg oder mit der Verarmung der Bevölkerung

Wer soll das bezahlen?

Die Schuldenbremse – 2009 auf Wunsch von Unionschristen und Sozialdemokraten im Grundgesetz verankert – soll am 18. März fallen. Keinerlei Beschränkung soll es danach für Aufrüstungsprogramme geben. Um SPD und Grüne ins Boot für diese Kriegsfinanzierung auf Pump zu kriegen, gibt es das Versprechen, über zehn Jahre gestreckt eine halbe Billion Euro an Krediten aufzunehmen, um Reparaturen an der maroden Infrastruktur und das eine oder andere Klimaprojekt zu bezahlen. Zu diesem politischen Taschenspielertrick bemerkte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bereits am 6. März süffisant: „Mit der Einrichtung eines Sondervermögens geht nicht die Verpflichtung einher, die Schulden bis zur letzten Milliarde aufzunehmen und bis zum letzten Cent auszugeben.“

Schulden für das Töten sollen mit Schulden für das vermeintlich bessere Leben so miteinander verknüpft werden, dass auch diejenigen den Kriegskrediten zustimmen, die mit dem Versprechen für ein leichteres Leben Stimmen an den Wahlurnen fischen. Die Börse hat das Manöver ziemlich schnell durchschaut. Dort stiegen nicht etwa die Kurse für Hersteller von Windkraftanlagen, Batteriezellen oder medizinischem Gerät, sondern die der Rüstungskonzerne.

Die künftige Bundesregierung, die sich jetzt vom alten Bundestag noch schnell den Blankoscheck auf rund eine Billion Euro Schulden aushändigen lässt, hält an der Fiktion fest, in diesem Land könne es Kanonen und Butter geben. Das wird sich als Irrtum erweisen. Das Geld für die Hochrüstung wird fließen, das für die Verbesserung der Infrastruktur, sofern es nicht der Ertüchtigung von Brücken für Panzer dient, wird hingegen „nicht ausgeschöpft“ werden.

Die Bundesrepublik soll sich ab April auf den internationalen Finanzmärkten höher verschulden. Diese Art der Kriegsfinanzierung auf Pump ist im letzten Jahrhundert erfunden worden. Die Kriegsherren mussten ihre Schatztruhen vor der Schlacht mit Gold füllen, das sie dem Volk abpressten. Nur so konnten sie die damals sündhaft teuren Kanonen und andere Waffen gießen lassen. Mit der Herausbildung der kapitalistischen Geldwirtschaft öffneten sich der Kriegsfinanzierung neue Möglichkeiten. Einer der ersten, der sie erkannte, war der später berühmt gewordene John Maynard Keynes, der sich als junger Ökonom 1915 zum Hauptberater des britischen Schatzamtes hochgearbeitet hatte. Die von ihm mitentwickelte Idee war, zur Bezahlung der Kriegsmaschinerie Schulden aufzunehmen, die erst nach dem Krieg wieder abbezahlt würden – vom Verlierer. Das setzen 1918 die damaligen Siegermächte so rigoros um, dass Keynes protestierte, weil er die politischen Folgen einer völligen Auspressung der Völker Deutschlands, Österreichs und anderer fürchtete. Aber die Idee war in der Welt und feiert nun eine Neuauflage.

Wer aber bezahlt diese schuldenfinanzierte Hochrüstung, wenn der Krieg weder gewonnen noch – worum wir um unseres Lebens willen kämpfen müssen – geführt wird? Wir alle – es sei denn, wir haben ein Aktiendepot mit Rüstungspapieren im Tresor.

Die Finanzierung der Milliarden-Aufrüstung hat zwei Komponenten. Zum einen wird sie begleitet von bereits jetzt öffentlich geführten Diskussionen um eine Mehrbelastung der arbeitenden Bevölkerung. Die Menschen sollen mehr arbeiten und sich weniger leisten können. Clemen Fuest, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, fordert, „einen Feiertag“ zu streichen. Wenn das gelänge, würde es sicher nicht bei diesem einem Tag bleiben. Tarifforderungen, die Arbeitszeitverkürzung beinhalten, werden dann – wie es gerade im Öffentlichen Dienst versucht wird – mit „nicht in die Zeit passend“ abgeschmettert. Der Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes der Rüstungsindustrie, Hans Christoph Atzpodien, meinte frohgemut: „Das Motto könnte lauten, Autos zu Rüstung!“

Die Welle der Verzichtsideologie, die auf uns zurollt, wenn wir den Wahn nicht stoppen, wird aber nicht reichen, sonst bräuchte es ja das Wegsprengen der Schuldenbremse nicht. Die Rechnungen liegen allen Bundestagsabgeordneten, die das entscheiden, vor: Zur üblichen Neuverschuldung von 50 Milliarden Euro werden künftig 200 Milliarden hinzukommen – Jahr für Jahr. Bei 2,5 Prozent Zinszahlungen auf Staatspapiere bedeutet das, dass allein die Bedienung der Zinsen pro Jahr 5 Milliarden kosten wird. Bei den 2,5 Prozent wird es aber nicht bleiben. Schon am Tag nach der „What-ever-it-takes“-Verkündung von Friedrich Merz (CDU), Kanzler im Wartestand, stieg der Zinssatz für Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit an den Märkten auf 2,74 Prozent. Steigt er auf fünf, werden allein für Zinszahlungen jedes Jahr aus dem Bundeshaushalt nicht 5, sondern 10 Milliarden fällig.

Diese Geldströme für Banken und andere Finanzkonzerne werden in einer Situation organisiert, in der – auch das weiß im Bundestag jede und jeder Abgeordnete – ab 2028 die Corona-Notlagen-Kredite zurückgezahlt werden müssen. Das sind in diesem ersten Jahr der Rückzahlungspflicht allein 9,2 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Rückzahlungen für den Nach-Corona-„EU-Wiederaufbaufonds“ und die für den ersten Kriegskredit namens „Sondervermögen“. Diesen hatte derselbe Bundestag beschlossen, der jetzt noch einmal fast eine Billion Euro Schulden bei internationalen – meist übrigens US-amerikanischen – Finanzinstitutionen bewilligt. Mulmig wurde angesichts dessen sogar Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat für Wirtschaft – das alles sei eine „extrem riskante Wette“, die da eingegangen werde.

Verschuldungsorgien dieser Größenordnung endeten historisch immer wenn nicht im Krieg, dann in einer massiven Entwertung der Währung, in der die Verschuldung passiert – also einer Beschleunigung der schon jetzt nicht abzuschüttelnden Inflation. Es ist der Wille der so agierenden Abgeordneten, dass wir uns nach Butterpreisen von 3 Euro noch zurücksehnen sollen.

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"Wer soll das bezahlen?", UZ vom 14. März 2025



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