Obwohl Massentests helfen, wird bei der Corona-Bekämpfung darauf verzichtet

Wer nicht testet, hat verloren

Pia Woberg

Die Corona-Krise hat Deutschland weiterhin fest im Griff. Andere Länder wie zum Beispiel China stehen aktuell weitaus besser da. Das Land hat die Krise mittlerweile gut überwunden, auch dank der grundlegend anderen Teststrategie. Es ist gelungen, durch umfangreiche und frühzeitige Tests das Virus wirkungsvoll einzudämmen. Massenhafte Corona-Tests großer Teile der Bevölkerung werden staatlich organisiert. Es gelingt in China, Millionen von Einwohnern innerhalb weniger Tage zu testen. Quarantänemaßnahmen können dann zielgerichtet und lokal begrenzt umgesetzt werden.

In Deutschland ergibt sich ein gänzlich anderes Bild. Seit Beginn der Pandemie gibt es keine einheitliche Strategie zum Umgang mit dem Virus. Essentielle Maßnahmen wie flächendeckende Tests und lückenlose Nachverfolgung von Infektionsketten werden nicht ausreichend forciert.

Zum einen gibt es keine einheitliche Teststrategie. Während Kontaktbeschränkungen und Reisemöglichkeiten staatlich geregelt sind, gibt es für die Durchführung von Corona-Tests lediglich unverbindliche Richtlinien. Die Entscheidung liegt letztlich bei den regionalen Gesundheitsbehörden oder den durchführenden Ärzten selbst. Nur in vergleichbar wenigen Fällen wurden sogenannte „Massentests“, zum Beispiel in besonders betroffenen Betrieben, angeordnet.

Große Probleme gibt es weiterhin auch bei der Kapazität zur Durchführung der Corona-Tests. Diese sollten nach Versprechungen vom Frühjahr deutlich ausgebaut werden, jedoch befanden sich viele Labors bereits Ende Oktober am Limit der Möglichkeiten – und die zweite Welle dort erst am Anfang.

Selbst in den Kliniken gibt es keine einheitliche Strategie zur Durchführung von Corona-Tests. Mancherorts werden alle stationären Patienten getestet, wobei die Kliniken die Kosten teilweise selbst tragen müssen. Manche hingegen führen die entsprechenden Tests nur bei typischen Symptomen durch und riskieren eine Verbreitung durch asymptomatische Patienten. Auch das Personal in Krankenhäuern wird dem Risiko ausgesetzt, zum unfreiwilligen Überträger zu werden, weil trotz Risikokontakten die notwendigen Tests durch den Arbeitgeber verweigert werden. Offenbar hat man bei anhaltendem Personalmangel und chronisch unterbesetzten Stationen mehr Angst vor weiterem Personalausfall als davor, zum Ansteckungsherd zu werden.

Auch die Nachverfolgung von Ansteckungswegen ist zunehmend problematisch. Die Gesundheitsämter sind unterbesetzt, kommen mit der Arbeit nicht mehr hinterher. Eine erhebliche Anzahl von Ansteckungen ist nicht mehr nachvollziehbar, die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle.

Die Entscheidung, ob also ein Corona-Test durchgeführt wird, die entscheidendste diagnostische Maßnahme zur Eindämmung des Virus, wird hierzulande also in die Hände der durchführenden Institutionen innerhalb des Gesundheitssystems gelegt. Ein System, das in den letzten Jahren konsequent kaputtgespart wurde. Wo es weder genug Personal noch ausreichend finanzielle Mittel gibt, um dieser wichtigen Aufgabe adäquat nachzukommen.

Aktuell ist klar erkennbar: Wir rennen der zweiten Welle hinterher. Langfristige und wirkungsvolle Strategien zum Umgang mit dem Virus haben sich aus der ersten Welle offensichtlich nicht ergeben. Stattdessen befindet sich das Land erneut im Lockdown, obwohl Ärzte und Wissenschaftler mahnten, dass die Schließung von Einrichtungen mit funktionierendem Hygienekonzept nicht zielführend sei. Die Konsequenzen der beschlossenen Maßnahmen müssen von der Bevölkerung geschultert werden. Viele Menschen finden sich in einer Situation wieder, die ihre Existenz und ihr Leben bedroht. Dass drastische Maßnahmen wie die erneute Schließung zum Beispiel von Gaststätten und Kulturbetrieben nun notwendig sind, hätte durch eine vorausschauende Teststrategie eventuell verhindert werden können.

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"Wer nicht testet, hat verloren", UZ vom 13. November 2020



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