Bilder von Leichen aus Kiewer Vorort sind Anlass für gesteigerte antirussische Hetze des Westens. Aufklärung wird verhindert

Wer mordete in Butscha?

Am Mittwoch, dem 30. März, zogen sich laut russischem Verteidigungsministerium russische Truppen aus dem Kiewer Vorort Butscha zurück. Am Samstag, dem 2. April, wurden weltweit Fotos und Videos verbreitet, auf denen viele Leichen auf den Straßen von Butscha und in Häusern zu sehen sind. Einigen der Toten waren die Hände gefesselt. Ein erstes Video tauchte am Abend des 1. April bei Twitter auf.

Direkt nach dem 2. April erklärten westliche Medien und Politiker, es handele sich um Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte. Die westlichen Medien steigerten nach Verbreitung der Bilder erneut ihre Russlandhetze, Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte weitere Sanktionen sowie Waffenlieferungen an die Ukraine an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte, die „von Russland verübten Kriegsverbrechen sind vor den Augen der Welt sichtbar“. Kiews Botschafter in Berlin, Andrej Melnik, hatte zuvor im „Tagesspiegel“ Steinmeier gerügt, der „seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland“ geknüpft habe. Danach räumte Steinmeier bei Fernsehauftritten „Fehler“ ein.

Zahlreiche Politiker forderten unter Berufung auf Butscha ein völliges Ende der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. So erklärte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, dem politischen Bruch müsse jetzt der ökonomische folgen. Die Bundesregierung wies am Montag 40 russische Diplomaten aus, andere NATO-Staaten folgten.

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja bezeichnete das Video mit den auf den Straßen liegenden Leichen als „plumpe Fälschung“. Im UN-Sicherheitsrat wolle Russland Beweise für die Lügen der westlichen Staaten über Butscha vorlegen – Britannien verhinderte am Montag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates, die Russland beantragt hatte. Sie sollte am Dienstag nach UZ-Redaktionsschluss stattfinden.

Auch das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe zurück. Es habe vor dem Abzug keine Berichte über Gewalttaten russischer Soldaten an Zivilisten gegeben, obwohl sich die Anwohner frei in der Stadt bewegen und die Mobilfunknetze nutzen konnten. Wichtig sei dabei vor allem die Tatsache, dass alle russischen Einheiten bereits am 30. März vollständig aus Butscha abgezogen worden waren. Auch der Bürgermeister Anatoli Fjodoruk habe in seiner Videoansprache am 31. März keine erschossenen Einheimischen mit gefesselten Händen auf den Straßen gemeldet. Stattdessen spricht Fjodoruk von einer „Befreiung“.

Der Kriegskorrespondent der Moskauer „Komsomolskaja Prawda“ (KP) Alexander Koz, der sich in Kiewer Vororten aufhielt, hielt in einer Chronologie der Ereignisse fest: Am 30. März habe sich kein russischer Soldat mehr in Butscha aufgehalten, die ukrainische Armee habe aber weiter mit Artillerie in die Stadt gefeuert. Am 2. April sei dann die Nationale Polizei der Ukraine in die Stadt gekommen. In einem langen Video, das sie bei Räumungen zeige, seien keine Leichen zu sehen. Ebenfalls am Samstag seien Einheiten der Kiewer Territorialverteidigung aus einer anderen Richtung in Butscha eingedrungen, „um eine Säuberungsaktion durchzuführen“, darunter die Abteilung des in Russland geborenen und dort wegen mehrfachen Mordes gesuchten Neonazis und „Asow“-Kämpfers Sergei „Bootsmann“ Korotkich. Er habe laut einer Videoaufnahme die Erlaubnis gegeben, auf Menschen ohne blaue Armbinde – das Erkennungszeichen der ukrainischen Streitkräfte für „Freund-Feind“ – zu schießen. Die weiße Binde mancher Toter sei das Erkennungszeichen der russischen Truppen.

Am Dienstag erklärte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums Igor Konaschenkow, Soldaten des 72. ukrainischen Zentrums für psychologische Operationen hätten „am Abend des 4. April in dem 23 Kilometer nordwestlich von Kiew gelegenen Dorf Moschtschun eine weitere inszenierte Erschießung von Zivilisten vorgenommen, die angeblich durch gewaltsame Aktionen der russischen Streitkräfte getötet wurden“. Ähnliche Aktionen fänden in Sumy, Konotop und anderen Städten statt.

Die Opfer von Butscha wurden inzwischen in Massengräbern bestattet. Eine Untersuchung der Leichen und die Aufklärung der Ereignisse wird damit faktisch unmöglich gemacht.

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"Wer mordete in Butscha?", UZ vom 8. April 2022



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