Die derzeitigen Umfragewerte deuten nicht darauf hin, dass die Unionsparteien sich nach den Bundestagswahlen in der Opposition wiederfinden werden und eine Koalition aus SPD, der Linkspartei und den Grünen das Land regiert. Bei aller Vorsicht: Die CDU legt – folgt man den aktuellen Umfragen – wieder zu, der „Schulz“-Effekt zieht wohl nicht mehr so wie noch vor wenigen Wochen und für die Grünen könnte es möglicherweise knapp werden.
Doch Rechenspiele, ob „R2G“ auf Bundesebene möglich ist, sind völlig unangebracht: Es geht um politische Inhalte – und für die Partei „Die Linke“ um Grundsätzliches.
Und da hat die SPD bereits mehrfach klargestellt, dass sie zum Beispiel in den Fragen der NATO sowie der EU zu keinerlei Kompromissen bereit ist und für eine deutsche Führungsrolle in der EU und in der Welt einsteht. Mit ihr wird es in diesen Fragen keinen Politikwechsel geben. So erklärte zum Beispiel Sigmar Gabriel in der „Frankfurter Rundschau“: „Wir sind zurzeit nicht stark genug. Die historische Herausforderung ist, ein neues, ein stärkeres Europa zu schaffen. Sonst werden wir weder von Herrn Trump und Herrn Putin ernst genommen noch von China. … Viele haben sich so gemütlich eingerichtet. Diese Zeiten sind aber unweigerlich vorbei. Wir müssen selber bestimmen, wie wir unsere Interessen und Werte verteidigen, was unsere Aufgabe in dieser unruhigen, krisenbeladenen Welt ist, in der uns vieles nicht gefällt.“(FR, 16.2.2017) Und SPD-Vize Thomas Oppermann stellte in einem Interview mit der „taz“ am 25. März klar. „Wenn es das Wahlergebnis erlaubt, werden wir mit allen reden, außer der AfD. Es gibt für die SPD drei Voraussetzungen für eine Regierungsbildung. Eine stabile Mehrheit im Bundestag. Inhaltlich: eine ohne Wenn und Aber proeuropäische Politik und keine Infragestellung der Nato. Und drittens eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.“ Und auf die Frage nach Veränderungen im Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei in den letzten Jahren, antwortete er: „Die Atmosphäre ist besser geworden. … Allerdings hat sich programmatisch nur wenig verändert. UN-Missionen werden immer noch radikal-pazifistisch als Kriegseinsätze diffamiert. Das ist kein gutes Zeichen.“
Im „Bericht aus Berlin“ (ARD, 2. April), legte er nach: Man wolle stärkste Partei werden und dann seien alle, die mit der SPD arbeiten wollen, „herzlich eingeladen“, mit der SPD „darüber zu reden und sich an unseren inhaltlichen Vorstellungen auszurichten“. „Wir werden in jedem Fall keine Koalition eingehen“, so Oppermann, „die darauf angelegt ist, die EU zu schwächen. … Wir sind Teil des westlichen Wertebündnisses und wir werden auch und gerade nachdem Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten geworden ist, darum kämpfen.“
Das war doch wohl ein erneutes klares Signal an diejenigen in der Partei „Die Linke“, die gern auch im Bund mitregieren, „mitgestalten“ wollen: Wenn Ihr mitregieren wollt, müsst Ihr Eure bisherigen Positionen in der Friedenspolitik aufgeben – und auch noch andere „Kröten“ schlucken. Dass einige in der Linkspartei dazu offensichtlich bereit sind, hat nicht nur Bodo Ramelow mehrfach im Zusammenhang mit der NATO-Mitgliedschaft Deutschlands angedeutet. In einer Erklärung vom 5. März schrieben Luise Neuhaus-Wartenberg und Dominic Heilig sowie der Bundesvorstand des Forum Demokratischer Sozialismus (fds) etwas kryptisch: „Wer soll uns Regierungsfähigkeit auf Bundesebene zutrauen, wenn wir nach außen den Eindruck vermitteln, gerade noch mal über unsere Grundwerte diskutieren zu müssen. Wir müssen eineindeutige Signale für ein weltoffenes und solidarisches Deutschland in einem grenzen- und mauerlosen Europa aussenden.“ Sie begründeten das u. a. mit dem notwendigen Kampf gegen die Rechtsentwicklung im Land, vor allem die AfD, und in Europa.
Wie nötig es jedoch ist, an die eigenen „Grundwerte“ zu erinnern und sie – vor allem in der Friedensfrage – zu verteidigen, wurde auf der Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform, des zweitgrößten Zusammenschlusses in der Partei „Die Linke“, am vergangenen Sonnabend diskutiert. Im Bericht des BundessprecherInnenrates wurde erklärt: „Wir bleiben bei den Realitäten. Wir haben alle Gründe der Welt, ohne Wenn und Aber Friedenspartei zu bleiben. Das wäre bei einer rot-rot-grünen Koalitionsregierung unmöglich. …
Dies ist durch keinerlei gedankliche oder sonstige Spielchen zu umgehen. Wer etwas anderes behauptet, ist entweder sehr naiv oder führt die Mitglieder sowie die Wählerinnen und Wähler unserer Partei hinters Licht. Man wird diese unsere Position weiterhin als paranoid und betonartig schelten. Man wird uns vorhalten, wir begriffen nicht, welche Kompromisse eingegangen werden müssten, um den weiteren Vormarsch der Rechten europaweit zu stoppen. Man wird alle möglichen Pseudoargumente ins Feld führen, um zu beweisen, dass der Bär gewaschen werden kann, ohne dessen Pelz zu nässen. Wir aber wissen: Er würde nass.“
Es gäbe kein Anzeichen dafür, dass im Falle einer gemeinsamen Koalition SPD und Grüne die friedenspolitischen Grundsätze der Linkspartei akzeptieren würden: „Wir wissen doch alle, dass das Gegenteil der Fall wäre.“ Erinnert wurde in diesem Zusammenhang vor allem an die Haltung führender SPD-Politiker. Auf dem Berliner SPD-Bundesparteitag am 19. März wurde das Thema Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht einmal angesprochen. Das zeuge von keinem Kurswechsel. „Einen solchen nimmt man in der Politik annähernd nie stillschweigend vor. Es zeugt lediglich davon, dass Ruhe sein soll zu diesem Thema.“ Die SPD müsse gezwungen werden in der Friedensfrage Farbe zu bekennen.
Beschlossen wurde unter anderem, gemeinsam mit anderen in der Partei und in Vorbereitung auf den Wahlparteitag im Juni für die Notwendigkeit zu sensibilisieren, „in der Friedensfrage keinerlei Kompromisse einzugehen“ – und für „soziale Zugeständnisse der SPD im Falle von Koalitionsverhandlungen unsererseits“ keine „Zugeständnisse hinsichtlich der friedenspolitischen Grundsätze zu machen“.