Wil van der Klift ist Chefredakteur von „Manifest“, Zeitung der Neuen Kommunistischen Partei der Niederlande (NCPN)
Warum dauert es so lange mit der Regierungsbildung in den Niederlanden? Die Wahl fand am 15. März dieses Jahres statt, bis zum 21. Juni wurde mit aller Macht, aber auch in aller Ruhe Tauziehen gespielt. Seit der dritten Juni-Woche scheint sich die Sache zu beschleunigen.
Die Erwartungen sind hoch, das Publikum gespannt. Ob eine Regierung von VVD (Volkspartei für Freiheit und Demokratie), CDA (Christlich-Demokratischer Aufruf), D66 (Demokraten 66) und ChristenUnie (ChristenUnion) gebildet werden kann? Versuche, „GroenLinks“ in die Regierung zu tricksen scheiterten. Die Gespräche zur Regierungsbildung begannen am 20. März. In einem Land, in dem solche Gespräche schonmal 208, 163, 127, 125, 122, 111 und 108 Tage gedauert hatten, ist dies keine extreme Situation. Es ist aber deutlich länger als die durchschnittliche Formierungszeit, die seit 1946 89,5 Tage beträgt. Der jüngste Durchbruch im Prozess der Regierungsbildung bedeutet, dass neue Verhandlungen stattfinden werden. Ein neuer Rekord ist also noch möglich.
Denn es ist eine neue, komplexe Situation entstanden. Seit 1956, als das Parlament von 100 auf 150 Sitze erweitert worden war, gibt es viele Fraktionen im Parlament (17). Die politische Zersplitterung nimmt zu, die politische Kontinuität zu gewährleisten, wird schwieriger.
Die großen sogenannten Volksparteien sind in den letzten Jahren dezimiert worden. Der Tiefpunkt ist der jüngste Niedergang der PvdA (Sozialdemokraten), die von 38 auf 9 Sitze fielen. Auch die Fraktionen der Christdemokraten (CDA, 19 Sitze) und der liberalen VVD (33 Sitze) sind in den letzten Jahren merklich geschrumpft. D66, eine liberale Partei mit sozialem Rand (19 Sitze) und die sich sozial-liberal nennende GroenLinks, mit grünen Rand (14 Sitze), befinden sich in Konkurrenz zu den etablierten Alt-Parteien. Die SP, zu vergleichen mit der Linkspartei in Deutschland, köchelt zwischen 12 und 15 Sitzen. Nur Wilders‘ rechtsnationale Freiheitlichen Partei wächst (von 15 auf 20 Sitze). Allerdings gibt es einen „Cordon sanitaire“, wenn es um die Beteiligung von Wilders an der Regierung geht.
Bemerkenswert ist die zunehmende Fragmentierung auf der einen Seite und die mehrheitliche Wahl einer überwiegend rechtsgerichteten Politik auf der anderen. Eine Entscheidung, die, nebenbei bemerkt, nicht bedeutet, dass die niederländische Bevölkerung nach rechts rückt. Hier handelt es sich eher um falsche Erwartungen großer Teile der Bevölkerung. Viele Wähler erhoffen sich von Wilders, dass er die etablierte Ordnung aufrecht erhält.
Die Richtung der Politik wird auch ohne Wilders in der Regierung rechts sein – das entspricht den Anforderungen des Kapitals. Die Frage, die für die niederländischen Politiker im Vordergrund steht, ist, wer bei der nächsten Wahl den Schwarzen Peter dafür bekommt. Angesichts des verheerenden Ergebnisses der Sozialdemokraten, die zusammen mit der VVD eine neoliberale Politik umsetzten und die dafür von ihren Anhängern die Quittung bekamen, eine verständliche Frage. Das erklärt auch, warum der Tanz um die Regierungsbildung solange dauert und warum die D66 den Wunsch aufrecht erhält, nicht das nächste Opfer bei Wahlen zu sein.
In einer Zeit der Verwirrung und der erneuten Suche nach jungen, unverbrauchten politischen Gesichtern wie Macron in Frankreich oder dem immer lachenden Rutte in den Niederlanden können die Parteien nicht mehr auf eine stabile Basis hoffen. Die Bevölkerung ist sich über die soziale und wirtschaftliche Zukunft unsicherer denn je, die politische Unruhe ist entsprechend groß.
Das Bemühen der herrschenden Klasse, eine ausgewogene und stabile Regierung mit ausreichender Unterstützung zu bilden, um Sozialabbau und wirtschaftliche „Reformen“ in die Praxis umsetzen zu können, wird mit Sicherheit in der Zerstörung aller vorhandenen Illusionen über mögliche Verbesserungen enden. Langsam aber sicher werden die Menschen die kommunistischen Parteien wiederentdecken – als wirkliche Kraft für Verbesserungen. Das Kapital und seine Parteien haben keine Lösungen für die kapitalistische Krise.
Das Geschwätz der Teilnehmer an der Regierungsbildung in den Niederlanden geht nur darum, wie sie ihr eigenes politisches Überleben sichern können. Soziale und politische Verbesserungen werden letztendlich auf der Straße und in den Betrieben durchgesetzt werden.