Zu Einschränkungen des Demonstrationsrechts

Wer ist hier Gefährder?

Die Corona-Infektionszahlen steigen mit Ansage. Die Schulen werden dennoch weiter schrittweise geöffnet, Kitas sind wieder im Regelbetrieb. Vorausgegangen war das Versprechen massenhafter Testungen. Doch bisher ist es weder gelungen, Erzieherinnen und Erzieher in großem Maßstab zu impfen, noch sind ausreichend Tests in Schulen und Kitas angekommen. Über deren Qualität weiß man nicht sehr viel, auch nicht über Art und Weise ihrer Anwendung und darüber, wie es nach positivem Ergebnis weitergeht. Für Kinder, Jugendliche, Erzieherinnen und Lehrkräfte gilt: Die Bundesregierung gefährdet ihre Gesundheit.

Die Innenminister der Länder sehen die Probleme woanders. Sie wollen für den Infektionsschutz das Demonstrationsrecht weiter aushöhlen. In einem Beschluss fordern sie nach Angaben des „Spiegel“ „Personenobergrenzen bei Versammlungen“. Die Pflicht zum Einhalten von Abstandsregeln und des Tragens von Mund-Nase-Bedeckungen sei bei Demonstrationen nicht immer ausreichend. Daher könnten in Abhängigkeit bestimmter Inzidenzwerte Beschränkungen von Teilnehmerzahlen nötig werden. In einzelnen Bundesländern gibt es solche Regelungen bereits: In Schleswig-Holstein dürfen sich 100 Menschen versammeln, in Sachsen 1.000.

Für den neuen Angriff auf demokratische Grundrechte sollen einmal mehr die „Corona-Demos“ herhalten. Die Innenminister berufen sich auf ein Diskussionspapier von zwei Wissenschaftlern des Mannheimer Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Die wollen herausbekommen haben, dass zwei „Corona-Demos“ in Berlin und Leipzig im vergangenen Herbst 21.000 beziehungsweise 16.000 Neuinfektionen verursacht haben. Das Papier bekam in Windeseile den Rang einer „Studie“, die es in alle Medien schaffte. Nachvollziehbar waren die Berechnungen entlang der Buslinien von der Provinz zu den Großdemonstrationen kaum.

Unstrittig hingegen ist, dass das Infektionsrisiko auf einer Demonstration bei Einhalten der Hygieneregeln deutlich geringer ist als in geschlossenen Klassenräumen, Packzentren, Großraumbüros oder Supermärkten. Auf der Hand liegt auch, dass der Bevölkerung in dieser Wirtschaftskrise das Fell über die Ohren gezogen wird, während Banken, Konzerne und Reiche Kasse machen. Jede Menge Grund für Widerstand. Das Einschränken des Versammlungsrechts hat nichts mit Gesundheitsschutz zu tun. Es ist Staatsschutz – wenn auch nur im Probelauf.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Wer ist hier Gefährder?", UZ vom 19. März 2021



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Haus.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit