Vereinsrecht ermöglicht Verbote ohne Kontrolle oder Zurückhaltung. Vergangene Woche war das „Islamische Zentrum Hamburg“ dran

Wer ist der Nächste?

Als treuer Follower des „X“-Accounts von Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat man sich an das Sommerspektakel schon gewöhnt. Allwöchentlich dienstags, spätestens mittwochs, ploppt der aktuelle Tweet auf, der immer mit dem gleichen Textbaustein „Heute in den frühen Morgenstunden …“ beginnt. Sekunden später weiß man dann, wem diese Woche wieder das Stündlein geschlagen hat. Das Parlament ist in der Sommerfrische, Nancy Faeser verbietet, was das Zeug hält.

Vor zwei Wochen traf es das Magazin und den Verlag „Compact“, diese Woche das „Islamische Zentrum Hamburg“. Die bürgerliche Journaille, die mit ihren Fotografen merkwürdigerweise immer schon vor Ort ist, wenn vermummte Polizeihundertschaften eintreffen, apportiert dann wieder die Bilder, die vorführen sollen, wie Büros, Bücherwände und diesmal eine Moschee von allem geleert werden, was der Staatsmacht auch nur im Geringsten verdächtig scheint.

Das Vereinsgesetz, das der unbescholtene Bürger eher für die Verfassung von Kaninchenzüchtervereinigungen hält, ist lesenswert, beschäftigen sich doch 31 seiner 33 Paragrafen mit Verboten, Sanktionen und „Zuwiderhandlungen“. Es gilt seit 60 Jahren und ist wie geschaffen, all das zur reaktionären und kriegsvorbereitenden Formierung der Zivilgesellschaft zu leisten, ohne auf ein Parteiverbot zugreifen zu müssen. Auf Länder- und auf Bundesebene steht es im Erlassweg den Innenministern zur freien Verfügung, parlamentarische Kontrolle gibt es nicht. Dem Ganzen verleiht das Grundgesetz in Artikel 9 die Würde. Nicht nur der landläufige Verein lässt sich verbieten, durch die Öffnungsregel des Paragrafen 17 des Vereinsgesetzes kann allen bürgerlich-rechtlich verfassten Gesellschaften, von der Genossenschaft bis zur Aktiengesellschaft, der Garaus gemacht werden. Einzige Voraussetzung: Sie verstoßen gegen ein Strafgesetz oder gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ oder den „Gedanken der Völkerverständigung“, wohlgemerkt „oder“, nicht „und“.

Wie aus den Verbotsbulletins des Innenministeriums ersichtlich ist, und wie wir es von den Verboten der Palästina-Solidarität, linken Internetplattformen und auch vom FDJ -Verbot aus dem Jahr 1951 kennen, reicht als Verbotsgrund dabei schon, dass die Organisation im berüchtigten Anhang des Verfassungsschutzberichts auftaucht. Wer könnte schon etwas gegen den „Gedanken der Völkerverständigung“ haben? Schlichte Definitionssache, da der Begriff nicht mehr als eine rhetorische Girlande ist, die jedwedem außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland umgehängt werden kann. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht zur Annahme dieses Verbotsgrundes bereits, das Existenzrecht eines anderen Staates in Frage zu stellen oder eine Vereinigung zu unterstützen, die „Gewalt in internationale Beziehungen trägt“.

Um zu ermessen, was hierunter alles fällt, braucht es keine allzu große Fantasie. Beim „Islamischen Zentrum“ in Hamburg stand im Mittelpunkt des Verbots die Konstruktion, der Verein sei unmittelbar ausführendes Organ des iranischen Staates. Dass der Iran im Konflikt mit Israel liegt, ist kein Geheimnis. Durch die Schließung der Moschee sind nun nicht mehr nur Meinungsfreiheit und Pressefreiheit von den Maßnahmen des Innenministeriums betroffen, sondern auch die Religionsfreiheit, die der bürgerliche Staat ansonsten wie eine Ikone vor sich her trägt. Wenn das Innenministerium das Vereinsrecht nun auch zum Tummelplatz vermeintlicher staatsräsonabler Interessen der deutschen Außenpolitik macht, dürfte Faeser angesichts der konfrontativen Linie im Außenamt in nächster Zeit viel zu tun haben.

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"Wer ist der Nächste?", UZ vom 2. August 2024



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