Vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen wird die Debatte schriller

Wer hat Angst vor Ostdeutschland?

Die Wählerinnen und Wähler in Sachsen und Thüringen können sich warm anziehen. Glaubt man dem Presserummel, dann lastet die Verantwortung einer „Schicksalswahl“ auf ihnen. So was will vorbereitet sein. Seit Monaten spielen sich Medien und Bundespolitik die Bälle zu, um die renitente Wählerschaft auf Linie zu bringen.

In den vergangenen Tagen erreichte die Aufregung immer neue Höhepunkte. Zuletzt im Zentrum der Aufmerksamkeit: Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW). In beiden Ländern dürfte sie ein Wörtchen mitzureden haben, wenn es um die Regierungsbildung geht. In dieser Situation tat Parteichefin Sahra Wagenknecht etwas Unerhörtes: Sie knüpfte eine mögliche Regierungsbeteiligung an politische Bedingungen. „Das BSW wird sich nur an einer Landesregierung beteiligen, die die US-Raketenpläne, die die Kriegsgefahr für Deutschland massiv erhöhen, klar ablehnt“, sagte sie gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND).

Im Ampel-Land der „Zeitenwende“ läuteten sofort die Alarmglocken. Georg Maier, Spitzenkandidat der SPD in Thüringen, sprach im „Tagesspiegel“ von „ Erpressungsversuchen“. Grünen-Chef Omid Nouripour tönte: „Feigheit schafft keinen Frieden“ und bezeichnete es als „unernst“, dass „Frau Wagenknecht außenpolitische Forderungen zur Bedingung für landespolitische Koalitionen macht“. Am geschicktesten brachte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ihr vermeintliches Herrschaftswissen ein. Die Landtagswahlen im Osten könnten „Ziel von illegitimer Einflussnahme“ sein, raunte sie. Russland versuche „Einfluss auf die öffentliche Debatte und die politische Willensbildung in Deutschland zu nehmen“. Auch rechte Bürger der ehemaligen DDR, die sich passenderweise selbst „Bürgerrechtler“ nennen, beteiligten sich an der Debatte.

Doch auch das ewige Gleichsetzen von AfD und BSW samt zur Schau gestellter Abgrenzung und die Verächtlichmachung von Friedensforderungen konnten bislang nicht verhindern, was unbedingt verhindert werden soll: Die Wahlen im Osten könnten zu symbolträchtigen Abstimmungen über den Kriegskurs werden. Schon zeigen sich erste Zerfallserscheinungen. Die Rufe nach Frieden werden lauter, auch im Wahlkampf.

Dabei ist klar: Abgewählt werden kann der Kriegskurs nicht. Dafür braucht es eine breite Friedensbewegung auf der Straße. Aber derzeit öffnen sich Räume für Debatten. Solange es den Kriegstreibern in Berlin nicht gelingt, diese zu schließen, wird die Panik vor einer bröckelnden Heimatfront zunehmen.

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"Wer hat Angst vor Ostdeutschland?", UZ vom 16. August 2024



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