Mitte Juni veröffentlichte der baden-württembergische Verfassungsschutz seinen Bericht für das Jahr 2019. In diesem warnt er vor „verstärkter Werbung der SDAJ an Schulen“. UZ sprach mit den Schülern Julia Cramer und Jan Wicher, die beide eigentlich anders heißen.
UZ: Der Verfassungsschutz warnt in seinem aktuellen Bericht vor der SDAJ Stuttgart. Wie ist er auf euch gekommen?
Jan Wicher: Vermutlich über die Schulen. Es gibt Angebote vom Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Lehrer im Kampf gegen Linksextremismus auszubilden. Daneben haben wir unsere Online-Präsenz, soziale Medien und so weiter, durch die der Verfassungsschutz mitkriegt, dass die SDAJ in Baden-Württemberg und explizit in Stuttgart an Schulen aktiv ist.
UZ: Was macht ihr denn dort, dass ihr so staatsgefährdend seid?
Julia Cramer: Der Verfassungsschutz wirft uns vor, dass wir „einfache Themen“ bedienen, die die Schüler aufgreifen. Das stimmt auch erst mal. Wir sagen zum Beispiel, dass die Technik an der Schule beschissen ist oder dass die Schülerinnen und Schüler unter zu viel Leistungsdruck stehen. Aber wir versuchen auch aufzuklären, dass diese Probleme mit dem kapitalistischen System zusammenhängen, in dem wir leben. Wir fordern daher dazu auf, bei uns aktiv zu werden und die Probleme an der Ursache anzupacken. Das ist laut Verfassungsschutz staatsgefährdend.
UZ: Es gibt sogar einen Fall, bei dem ein Lehrer Schüler beim Verfassungsschutz angeschwärzt hat. Wie kam es dazu?
Jan Wicher: Wir haben mitbekommen, dass eine Warnung vom Verfassungsschutz an die Schulen geschickt wurde. Im konkreten Fall ist es ein bisschen peinlich. Wir haben eine Ausgabe unserer Kleinzeitung „Roter Spickzettel“ herausgegeben, und in dieser Ausgabe hatten wir einen recht großen Tippfehler direkt in der Überschrift. Diese Kleinzeitung haben wir an der Schule in den Briefkasten der Schülervertretung geworfen. Genau diese Ausgabe hat der Verfassungsschutz in seinem Bericht abgedruckt.
Julia Cramer: Die Ausgabe haben wir deswegen sonst nirgends verteilt, auch nicht im Internet. Das heißt, der Verfassungsschutz muss über die Schule an die Ausgabe rangekommen sein. Es muss auf jeden Fall eine Verbindung zwischen dem SMV-Lehrer und dem Verfassungsschutz bestehen.
Die Schulleitung lud auch mehrere Schülerinnen und Schüler von uns zum Gespräch ein, bei dem gesagt wurde, man wolle uns nur helfen, damit wir unsere Zukunft nicht verbauen. Ein bisschen komisch dabei war, dass sie davon ausgegangen sind, dass wir uns gar nicht mit der SDAJ beschäftigt hätten, sondern wir einfach Schüler wären, die von der SDAJ ausgenutzt werden. Sie versuchten sich auch zu rechtfertigen und sagten, wenn sie der SDAJ erlauben würden, an der Schule zu verteilen, müssten sie das auch der AfD und anderen Rechten erlauben.
UZ: Wie habt ihr darauf reagiert?
Julia Cramer: Wir haben klar gesagt, dass wir uns mit der SDAJ auseinandergesetzt haben. Dann haben sie mehrfach gefragt: Seid ihr denn Mitglied? Wir haben vehement geantwortet, dass sie das nichts angeht. Sie wollten uns auch das Verteilen verbieten, wir haben darauf gepocht, dass das Pressefreiheit ist und sie uns das nicht verbieten können. Im Endeffekt hat das Gespräch nichts gebracht.
UZ: Wie reagieren sonst die Schulleitungen auf euch, wenn ihr verteilt oder wenn ihr in der SMV aktiv seid?
Jan Wicher: Das ist ganz unterschiedlich. Die Schulleitungen gehen eigentlich nicht offensiv gegen uns vor, wenn wir verteilen. Was häufiger passiert, ist, dass im Nachgang unsere Schülerinnen und Schüler zu Gesprächen eingeladen werden. Zum Beispiel als ein Jugendoffizier zur Schule gekommen ist und wir vor dem Gebäude eine Kundgebung gemacht haben. Der Schulleiter ist richtig durchgedreht und wir wurden von der Polizei von unserem angemeldeten Ort verwiesen. Was uns aber sehr viel Aufmerksamkeit gebracht hat und im Endeffekt recht gut war.
Viele Lehrer und auch Schulleiter stehen uns aber sehr positiv gegenüber. Sie sagen, dass sie es gut finden, dass sich Schüler politisch beschäftigen, weil das auch zum Bildungsauftrag gehört, und bieten uns manchmal sogar Unterstützung an.