In Venezuela geht das Tauziehen um die Präsidentschaftswahl weiter

Wer finanziert den Umsturz?

Venezuela ist eine partizipative, also beteiligungsorientierte Demokratie. Das sehe man schon daran, so der Essayist Luis Britto García in einem am vergangenen Wochenende auf seinem Blog veröffentlichten Kommentar, dass sich alle Welt an den Wahlen in dem südamerikanischen Land beteiligen wolle: „US-Außenminister Antony Blinken erklärt mal eben den Oppositionskandidaten zum Sieger, der Staatsanwalt dieses Landes setzt eine Belohnung von 15 Millionen Dollar auf den Kopf von Präsident Maduro aus, der Südafrikaner Elon Musk fordert, das Kopfgeld auf 100 Millionen zu erhöhen, und die 27 Staaten der Europäischen Union verkünden, dass der Oppositionskandidat ‚die Präsidentschaftswahl mit großer Mehrheit gewonnen zu haben scheint‘, während die Beobachter des Carter-Zentrums die Ergebnisse in Frage stellen, bevor sie sie überhaupt kennen.“

Während die nach der Wahl am 28. Juli ausgebrochenen Proteste auf den Straßen Venezuelas schon nach wenigen Tagen wieder abgeebbt sind, gehen die Auseinandersetzungen um die Präsidentschaftswahlen auf nationaler und internationaler Bühne weiter. Washington, Brüssel und die rechten Regierungen Lateinamerikas scheinen eine Neuauflage der Farce von 2019 vorzubereiten, als sie den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als Präsidenten Venezuelas „anerkannten“ und Maduro die Legitimität absprachen. Im Lande selbst hat die Justiz das letzte Wort.

Auf Antrag des Staatschefs hat es der Oberste Gerichtshof Venezuelas übernommen, den Ausgang der Wahlen und den mutmaßlichen Hackerangriff, der zu den Verzögerungen bei der Übermittlung der Ergebnisse geführt haben soll, zu überprüfen. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ hatte der Nationale Wahlrat (CNE), die oberste Wahlbehörde, kein Endergebnis bekanntgegeben und auch die Ergebnisse aus den einzelnen Wahllokalen nicht veröffentlicht. Zuletzt verbreitete man am 1. August nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen ein vorläufiges Resultat, nach dem Maduro die Wahl mit 51,95 Prozent gewonnen hat Die obersten Richter forderten alle Kandidaten und die beteiligten Parteien auf, alle vorliegenden Unterlagen einzureichen, so etwa die ihnen vorliegenden Auszählungsprotokolle. Lediglich der Kandidat der rechten Opposition, Edmundo González Urrutia, und die ihn unterstützenden Parteien verweigerten das. Sie machten gegenüber dem Gericht geltend, dass sie über keine entsprechenden Unterlagen verfügen würden – und das, obwohl das Oppositionsbündnis MUD selbst eine Homepage gestartet hatte, auf der angeblich 70 Prozent der Wahlakten veröffentlicht wurden. Wie die Richter allerdings feststellten, waren viele dieser Dokumente nicht von Zeugen unterschrieben oder auf andere Weise manipuliert worden, so dass sie als Beweismittel kaum in Frage kommen.

Trotzdem beruft sich auch der Mehrheitsflügel der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) auf diese Veröffentlichung des von den USA unterstützten Oppositionsblocks. Auf der Homepage der Parteizeitung „Tribuna Popular“ wird dem „bürgerlichen Block an der Macht“ ein „gigantischer Betrug“ und ein „gigantischer Schlag gegen die Demokratie“ vorgeworfen, um den an den Urnen ausgedrückten „Willen des Volkes“ zu missachten und an der Regierung zu bleiben.

Der Oberste Gerichtshof hatte dem vom Parteitag gewählten Zentralkomitee im vergangenen Jahr das Recht entzogen, für die PCV zu sprechen und die Leitung einer willkürlich ausgewählten Leitung um einen Henry Parra übertragen. Der hat seither keine anderen politischen Initiativen erkennen lassen, als den Namen und das Logo der Kommunistischen Partei wieder den Unterstützern des Regierungslagers hinzuzufügen. So wurde Maduro auf den Wahlscheinen auch als Kandidat der „offiziellen“ PCV aufgeführt. Versuche des Flügels um den eigentlichen Generalsekretär Oscar Figuera, mit einem unabhängigen Kandidaten anzutreten, wurden vom CNE vereitelt. Man entschied sich daraufhin dafür, mit Enrique Márquez einen Vertreter der rechten Opposition zu unterstützen. Als einige führende Genossen, unter ihnen der ehemalige Internationale Sekretär Carolus Wimmer, diese Entscheidung öffentlich kritisierten, wurden sie im Juli vom ZK aus der Partei ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu seiner bisherigen Partei spricht Wimmer von einem Plan zur Destabilisierung des Landes, in den das US-amerikanische Carter-Zentrum verwickelt sei. In einer Presseerklärung der von ihm geleiteten Stiftung Debate Abierto weist er auf Widersprüche in der Darstellung des Carter-Zentrums hin, das in vielen Medien als Kronzeuge für die angebliche Wahlfälschung präsentiert wird. Das Zentrum habe im Vorfeld seiner Beobachtungsmission deutlich gemacht, dass diese nur einen sehr beschränkten Einblick haben werde. Trotzdem hätten die Beobachter unmittelbar nach der Wahl das Land verlassen, um dann von außen ihre Bewertungen abzugeben. „Wie kann es sein, dass sie nun plötzlich sagen, über die genauen Ergebnisse der Zählungen und über Beweise zu verfügen, dass es keinen Hackerangriff gegeben habe?“, so Wimmer. Das Verhalten des Carter-Zentrums verstoße gegen die von der UN 2005 für Wahlbeobachter festgelegten Standards und verletze nationale und internationale Gesetze. Es scheine, dass es einem genau ausgearbeiteten Plan zum Sturz der venezolanischen Regierung folge. „Wer finanziert den? Das muss Gegenstand internationaler strafrechtlicher Ermittlungen sein“, fordert Wimmer.

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"Wer finanziert den Umsturz?", UZ vom 16. August 2024



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