Am vergangenen Wochenende hat US-Präsident Donald Trump gedroht, einen weiteren völkerrechtlich verbindlichen Vertrag aufzukündigen: Den 1987 zwischen der Sowjetunion und den USA geschlossenen INF-Vertrag, in dem das Verbot landgestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen bis zu einer Reichweite von 5 500 Kilometern festgeschrieben ist. Das US-Militär unterläuft den Vertrag schon seit vielen Jahren mit seinen seegestütztenTomahawk-Marschflugkörpern, die aber auch von Land aus einsetzbar sind.
Die Infragestellung des INF-Vertrags ist ein weiterer Schritt in der langen Reihe der Aggressionen gegen Russland, die in den 90er Jahren mit der vertragsbrüchigen Aufnahme ehemaliger Warschauer-Vertrags-Staaten in die Nato begann. Dem folgte die Aufkündigung des ABM-Vertrages, der die Einrichtung von Raketenabwehrsystemen in der Sowjetunion – später: der Russischen Föderation – und den USA untersagte, durch Präsident George W. Bush im Jahre 2002. Schließlich bemühte sich Barack Obama, in Osteuropa einen Raketen„schutzschirm“ zu installieren. Alle diese Schritte zielen darauf, die USA vor einem „Zweitschlag“, der Antwort auf einen Angriff mit Nuklearwaffen, zu schützen. Die USA sind nicht nur das einzige Land der Welt, das jemals Atomwaffen eingesetzt hat, sie behalten sich auch als einziges einen Erstschlag vor.
Trump begründete seine Ankündigung, den INF-Vertrag zu kündigen, mit angeblichen Vertragsverletzungen durch Russland, die er nicht weiter ausführte. Offen drohte er am Montag Russland und der Volksrepublik China mit einer weiteren Aufstockung des US-Atomwaffenarsenals und „jedem sonst, der das Spiel spielen will“. Er sei jedoch zur Abrüstung bereit, sollten die genannten und andere Staaten „zur Vernunft kommen“. Das weist darauf hin, dass es sich um eine neue Variante der Erpressungspolitik des Trumpschen Kriegskabinetts handelt. Damit entfällt jede Vertrauensgrundlage zwischen den Staaten.
Die russische Reaktion lässt jedoch nicht darauf schließen, dass man sich in Moskau Zugeständnisse abpressen ließe. Gelassen erklärte der russische Außenminister Lawrow, er warte auf eine offizielle Begründung für den Schritt der US-amerikanischen Kollegen. Weiter ging der Sprecher des Kreml, Dmitri Peskow. Er kündigte an, Russland werde geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung seiner Sicherheit ergreifen. Das heißt: Die Spannungen an der europäischen Grenze Russlands werden zunehmen, eine weitere Runde im Rüstungsrennen ist programmiert.
Dass ausgerechnet Trumps Sicherheitsberater John Bolton nach Moskau reiste, um mit Wladimir Putin zu verhandeln, ist eine Farce. Der Scharfmacher ist als Gegner von Rüstungskontrollabkommen bekannt und vermutlich der Vater der Idee, den INF-Vertrag einseitig aufzukündigen.