„Armut“ von Christoph Butterwegge

Wer Armut vermeiden will, muss Reichtum antasten

Von Stefan Kühner

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Christoph Butterwegge

Armut

PapyRossa Verlag

Köln 2016

ISBN, 978–3-89438–625-2

Christoph Butterwegges These zum Thema Armut lautet „Wer die soziale Ungleichheit verringern und Armut wirksam bekämpfen will, muss Umverteilung betreiben und den privaten Reichtum antasten“ (Seite 118) Diese These zieht sich wie ein roter Faden durch sein Buch „Armut“. Es ist in der Reihe Basiswissen des PapyRossa-Verlags erschienen.

Im ersten Kapitel wird der Begriff Armut definiert. Butterwegge macht klar, dass Armut relativ ist. „Will man den Lebensstandard eines Menschen bestimmen, muss er grundsätzlich in Beziehung zum Wohlstand des Landes gesetzt werden, in dem er lebt.“ Man könne das Elend in Afrika nicht als Maßstab für Armut in Deutschland heranziehen.

Das zweite Kapitel enthält eine kritische Auseinandersetzung mit den Armuts- und Reichtumsberichten der Bundesregierungen. Das dritte Kapitel kommt vor dem Hintergrund der gesellschaftlich und staatlich gesteuerten Wirklichkeit zu dem Schluss, dass die Regierungen der letzten Jahrzehnte statt Armutsbekämpfung eher Reichtumsförderung betrieben haben. Arme werden weiterhin diskriminiert.

Die Verachtung der Armen in Europa ist allerdings alles andere als neu. Kapitel vier des Buches spürt der Geschichte der Armut nach und zeigt auf, dass intellektuelle Denker und Publizisten bereits im 18. Jahrhunderts mit ähnlich haarsträubenden Argumenten gegen die Armen hetzten, wie sie heute von den neoliberalen Meinungsführern zu hören sind. Nur ein Besipiel: Alexis de Tocquerville (1805–1859) „In dem Moment, wo die Armenhilfe im sozialstaatlichen Sinne institutionalisiert wird, … schafft man eine untätige und arbeitsscheue Klasse, die auf Kosten der werktätigen Industriebevölkerung lebt.“ Hier findet man die Vorboten einer Harz IV und Anti-Mindestlohn-Denkweise, die davon ausgeht, dass eine parasitäre Bevölkerungsschicht entsteht, wenn die gesellschaftlichen Leistungen gegen Armut zu hoch ausfallen.

Im letzten Kapitel setzt sich Butterwegge mit dem bedingungslosen Grundeinkommen auseinander. Dieses wird von reichen Unternehmern (Götz Werner) und auch Gruppierungen in den Parteien von CDU, über, FDP, SPD, den Grünen bis hin zu den „Linken“ immer wieder als Lösung gegen Armut vorgestellten. Butterwege zeigt überzeugend auf, dass diese ‚Lösung‘ nichts an der Schieflage zwischen arm und reich ändert.

Butterwegge entlarvt in seinem Buch die zynische Sicht der Reichen und Wohlhabenden auf die Armut. Diese weisen die Verantwortung für Armut von sich und verbreiten die These, Armut sei in erster Linie durch persönliches Fehlverhalten oder Zufälle verursacht wie z. B. Arbeitsplatzverlust, Scheidung oder den Tod eines Familienernährers. Aussagen, die allzu gern auch von politischen Instanzen und Repräsentanten aufgegriffen werden. Lautstark unterstützt werde dies durch große Teile der Medien. Hier erinnert Butterwegge an die Kampagnen von Sarazzin, INSM und Bildzeitung (Florida-Rolf). So steht bei gesetzgeberischen Maßnahmen häufig eher ein Vorgehen gegen Sozialmissbrauch und die Drohung Leistungen zu kürzen, im Fokus als wirkliche Armutsbekämpfung.

Der Autor war bis 2016 Professor für Sozialwissenschaften an der Universität Köln. Anders als man dies von manchen Sozialwissenschaftlern gewohnt ist, wirft er nicht mit Zahlen und Statistiken um sich. Er beschreibt vielmehr auf anschauliche Weise, gesellschaftliche Entwicklungen im Umgang mit Armut und ihren Auswirkungen.

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"Wer Armut vermeiden will, muss Reichtum antasten", UZ vom 10. März 2017



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