Hamburgs Erster Bürgermeister verteidigt den Polizeieinsatz beim Gipfel

Wenn sie geschossen hätten, Herr Scholz, was dann?

Von Nina Hager

„Polizeigewalt hat es nicht gegeben …“ Für Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist alles klar und er meint, dass der Polizei auch anschließend nichts vorzuwerfen sei. Am Freitag der vergangenen Woche berichtete die „Hamburger Morgenpost“ aber von einem Einsatz einer Berliner Polizeieinheit im Rondenbarg (Bahrenfeld), der 14 Verletzte, darunter elf Schwerverletzte, forderte. Die Einsatzkräfte drängten laut Berichten von Augenzeugen die Betroffenen von einer Mauer. Diese stürzten, nachdem ein Zaun zusammengebrochen war, zwei Meter in die Tiefe. Und obgleich da dann Leute mit offenen Brüchen lagen, hätten, so ein Augenzeuge, die Beamten weitere Personen die Mauer heruntergestoßen. „Sie schrien:  ‚Antifa-Schweine. Das ist euer Frühstück!‘.“ Auch bei den folgenden Festnahmen gab es Tritte.

Im Internet dokumentieren Videos und Berichte die Polizeigewalt gegen friedliche Demonstrationen, beim Räumen von Sitzblockaden, aber auch gegen völlig unbeteiligte Zuschauerinnen und Zuschauer. Übergriffe gab es auch auf Anreisende – wie auf eine Gruppe der SJD-Die Falken NRW, unter ihnen Minderjährige, die vier Stunden festgesetzt wurden – und auf Teilnehmer der friedlichen Proteste, die nach Hause fuhren. Übergriffe gab es auf Medienvertreter wie Anwälte. So stellte der Republikanische Anwaltsverein (RAV), im Vorfeld von der Polizei als „gefährlich“ erklärt, in seiner Erklärung zu den Ereignissen unter anderem fest: „Anwält*innen wurden bei ihrer Arbeit innerhalb und außerhalb der Gefangenensammelstelle behindert. Sie wurden oftmals nicht zu Beistandsuchenden vorgelassen und sogar körperlich angegriffen. Zeitweise fand eine Gleichsetzung der Anwält*innenschaft mit dem ‚Feindbild Demonstrant’ statt und Anwält*innen wurde unterstellt, Straftaten zu fördern.“ Scholz ist Mitglied im RAV. Was hat er getan, um solche weiteren Rechtsbrüche zu verhindern?

Es ist offenbar auch unwichtig, dass die im Laufe der Gipfeltage ständig zahlreicher werdenden Berichte über verletzte Polizeibeamte unter die Rubrik Fake News fallen. Oder, dass laut ARD 189 Menschen mit teilweise schweren „demonstrationstypischen“ Verletzungen in Krankenhäuser eingeliefert wurden. Und wie erklärt Herr Scholz den Einsatz der SEK, die u. a. im Schanzenviertel schwer bewaffnet Häuser stürmte und bei der – wie ein Einsatzleiter aus Sachsen berichtete – der Schusswaffengebrauch erlaubt war? Wenn sie geschossen hätten, Herr Scholz, was dann?

Und wie erklärt er, dass intern bereits gegen 35 Polizeibeamte ermittelt wird – darunter gegen 27 wegen Körperverletzung im Amt? Wahrscheinlich hat man die Hoffnung, dass solche Ermittlungen lange dauern und „Gras über die Sache wachsen“ wird? Es ist zudem nicht anzunehmen, dass die jetzt eingesetzten 170 Ermittler, die „linke“ Gewalttäter aufspüren sollen, auch nur einen Handschlag dafür tun werden, die eigenen Schweinereien aufzudecken. Obgleich das Einsatzkonzept, die Gäste des Gipfels zu schützen, aber nicht das Demonstrationsrecht und die Bewohner der Stadt, sowie ständig zu eskalieren, statt auf Kommunikation und Deeskalation zu setzen, auch in den Reihen der Polizei umstritten ist.

Für CDU und CSU ist das unwichtig: Man kann Druck auf die SPD ausüben und – vor allem – vor der „linken Gefahr“ warnen. VS-Präsident Maaßen kann sich hinstellen und behaupten, er habe das ja schon lange gesagt. Bundesinnenminister de Maizière (CDU) schlägt erweiterte Meldeauflagen und wenn nötig Fußfesseln für „gewaltbereite Protestierer“ vor. Bundesjustizminister Maas (SPD) verlangt eine bessere Verfolgung von Straftätern über das Internet. EU-weit. Der Vizechef der „Bürgerrechtspartei“ FDP, Kubicki, fordert, wie CSU-, CDU- sowie AfD-Politiker vor ihm, autonome Zentren zu schließen. Die „Rote Flora“ in Hamburg ist für ihn ein „Hort des Linksex­tremismus“. Auf die massive Einschränkung von Grundrechten und vor allem des Demonstrationsrechts ging auch er nicht ein.

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"Wenn sie geschossen hätten, Herr Scholz, was dann?", UZ vom 21. Juli 2017



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