Fast drei Viertel der Menschen in Deutschland – so eine Umfrage des Allensbach-Meinungsforschungsinstituts – blicken derzeit mit Sorge in die Zukunft. Es sei nicht die wirtschaftliche Situation, die dazu geführt habe, meinen die Allensbacher. Da geht es der Mehrheit angeblich gut – angesichts von Wirtschaftswachstum und niedrigem Benzinpreis. Nur 14 Prozent der Befragten fürchten, dass sich ihre wirtschaftliche Situation in den nächsten fünf Jahren verschlechtern werde. Es wäre interessant zu erfahren, wer da befragt wurde.
Auch nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GfK im Auftrag der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen haben 55 Prozent der Befragten Angst vor der Zukunft. Die Gründe für die Verunsicherung sind vor allem die Kriege und die Ausweitung der Bundeswehreinsätze im Nahen Osten, in Afghanistan, in Mali, von denen eine Bundestagsmehrheit behauptet, man habe dazu keine Alternative. Kanzlerin Merkel hat in ihrer Neujahrsansprache keine anderen Akzente gesetzt. Ausdrücklich dankte sie „unseren Soldatinnen und Soldaten“. Die stünden mit Leib und Leben für unsere Werte, unsere Sicherheit und unsere Freiheit ein. Es ist der bleibende Konflikt in der Ukraine, der hierzulande viele verunsichert. Es sind die Zunahme von Spannungen in vielen Regionen der Welt. Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Davon bleibt das eigene Leben nicht unberührt: Über eine Million Menschen sind 2015 auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Hunger und Armut nach Deutschland gekommen. Und während Kanzlerin Merkel in ihrer Neujahrsansprache wieder tönte „Wir schaffen das“, arbeiten die Freiwilligen schon seit vielen Wochen, wird in den Kommunen versucht, die wachsenden Probleme zu lösen, während ihre Parteikollegen und vor allem aus der CSU ganz andere Töne und rechte Hassparolen anschlagen …
Hinzu kommt die Angst vor Terroranschlägen: Am 18. November wurde in Hannover ein Fußballländerspiel abgesagt. In München gab es am Silvesterabend Großalarm. Angeblich plante der IS (wer derzeit sonst?) mehrere Anschläge in der bayerischen Metropole. Eine verworrene Geschichte, die bisher eher den Eindruck vermittelt, dass gezielt Angst und Verunsicherung geschürt werden sollte. Zurück bleiben – wie nach der Absage des Spiels am 18. November – viele Fragen.
Unbedingt müsse „mehr getan werden“ für die „Innere Sicherheit“, meint nicht nur die CSU, die eine entsprechende Vorlage auf ihrer Klausur im Wildbad Kreuth beraten wird. SPD-Innenexperte Lischka fordert den Aufbau eines gemeinsamen europäischen Antiterrorzentrums. Immer neue Forderungen nach mehr Polizei, nach Ausbau der Geheimdienste und noch mehr Überwachung werden laut und lauter. Als hätte dieses Land nicht bereits „Sicherheitsgesetze“, die kaum eine Lücke lassen. Wieder einmal wird auch eine Grundgesetzänderung gefordert – für Bundeswehreinsätze im Inneren.
Terroranschläge gibt es aber bereits jeden Tag im Land – ohne dass die Regierenden dagegen etwas wirksam tun: In den Weihnachtstagen gab es einen Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingsheim in Schwäbisch Gmünd. Am 2. Januar bewarfen zwei Männer in Köln-Mülheim ein als Flüchtlingsunterkunft vorgesehenes Gebäude mit Bengalos. Bei einem Anschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft im Landkreis Wittenberg gab es nur Sachschaden. Im hessischen Dreieich traf dagegen in der Nacht auf Montag eine Kugel einen schlafenden Bewohner eines Flüchtlingswohnheims. Er wurde glücklicherweise nur leicht verletzt.
Schön, wenn Frau Merkel in ihrer Neujahrsansprache erklärte: „Es kommt darauf an, denen nicht zu folgen, die mit Kälte oder gar Hass in ihren Herzen ein Deutschsein allein für sich reklamieren und andere ausgrenzen wollen.“ Wirksames ist von ihr gegen die Zündler in den eigenen Reihen – in CDU/CSU, aber auch der SPD –, gegen Pegida und Co., gegen die AfD und die NPD nicht zu erwarten. Auch keine wirksamen Maßnahmen zur Integration der Flüchtlinge, zur Unterstützung der Städte und Gemeinden, kein Ende der profitbringenden Waffenexporte und der militärischen Einsätze ist in Sicht – im Gegenteil. Die Regierungspolitik Deutschlands bleibt Fluchtursache.
„Kriege und Ausbeutung schaffen unentwegt neue Fluchtbewegungen und neuen Terror“, heißt es unter anderem im Aufruf zur Demonstration im Rahmen der diesjährigen Luxemburg-Liebknecht-Ehrung. Am 10. Januar ist eine erste Gelegenheit in diesem Jahr, Flagge zu zeigen, Solidarität zu üben und sich gegen die Politik der Herrschenden zu wehren.
„Demonstrieren wir am 10. Januar 2016 … gegen die Fluchtursachen und gegen Faschisten – solidarisch mit den Erniedrigten, egal, wo sie geboren sind.“