Der Roman von Drago Jancar erzählt, was es heißt, leben zu müssen

Wenn die Liebe ruht

Jürgen Meier

„Der Krieg bezwingt alles, sogar diejenigen, die sich bekriegen.“ Wie die Liebe Ende des Zweiten Weltkriegs in Slowenien ruht und auch nach der Befreiung von den deutschen Faschisten Schwierigkeiten hat, sich wieder ins Leben zu trauen, zeigt dieser großartige Roman des Slowenen Drago Jancar.

Die Geschichte beginnt, kurz bevor die deutsche Armee 1941 in Slowenien einfällt und das junge Liebespaar Sonja und Valentin vor große Entscheidungen stellt. „Alles wurde plötzlich stärker als die Liebe.“ Valentin „hatte sich in einer geheimen Organisation verstrickt, die sich Befreiungsfront nannte“. Zum Abschied schreibt er Sonja, mit der er Verse von Goethe gelesen hatte, eine kurze Botschaft. „Ich ging im Walde…“ Als er bei einer gescheiterten Partisanenaktion den Faschisten in die Hände fällt, widersteht er den schlimmsten Folterungen ohne Verrat. Da aus den Kerkern der deutschen Faschisten keiner lebendig entlassen wird, ersinnt Sonja eine List. Sie erkennt in dem „Obersturmbannführer Ludwig Mischkolnig“, dem Chef des Kerkers, in dem Valentin gequält wird, einen Slowenen wieder, der ihr vor Jahren nach einem Sturz im Schnee geholfen hatte. Sie spricht ihn mit seinem damaligen Namen Ludek an. Was ihn zunächst ärgert, denn er und seine Familie, die nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg in Slowenien geblieben sind, fühlen sich ganz dem Deutschtum verpflichtet.

Es gelingt dem Autor, ganz unaufdringlich zu zeigen, auf welches menschliche Erbe sich die deutsche Armee im Zweiten Weltkrieg stützen konnte. Da waren noch die ehemaligen Krieger, die Ludeks-Ludwigs des Ersten Weltkriegs. Ludwig träumte zwar noch immer von seinem Einsatz an der Front, als Ende 1944 die Niederlage offensichtlich war, aber er wusste, es sei „der Wille der Heimat, das er hierbleibt, in seiner Stadt, auch hier herrscht der Kampf ums Deutschtum und das neue Europa“. Egal ob alles in Schutt und Asche versinke. Hauptsache deutsch. „Das Volk ist ein Organismus, er war ein Teil davon.“ Wer den Organismus stört, wird ausgemerzt. Serbien, das bereits im Oktober von Titos Partisanen in weiten Teilen befreit war, nennt Ludwig den „Dickdarm Europas“ oder den „serbischen Misthaufen“, der „Österreich zerstört“ habe. Hier denkt der Leser an die Schelte, die Peter Handke als „Freund der Serben“ einstecken musste.

Sonja will ihren Valentin retten. Sie trifft sich deshalb mit Ludwig in seiner Wohnung. Danach kümmert sich Ludwig um Valentin, den er eine Loyalitätserklärung unterschreiben lässt, verbunden mit der Absicht, dass Valentin nach der Entlassung die Gestapo zu den Hintermännern der Partisanen führen wird. Valentin kann aber in die Berge zu den Partisanen fliehen. Sonja wird deportiert und zur Prostitution gezwungen. So könne sie zum Sieg der deutschen Heimat beitragen, was die Nazis „Maßnahmen zur Steigerung der männlichen Schöpfungskraft“ nannten.

Im weiteren Verlauf des Romans wird deutlich, dass der Autor die Partisanen nicht gut aussehen lassen will. In den Bergen wird Valentin nicht mit offenen Armen empfangen. Der Kommandeur Borben hält ihn, wie auch andere, die zu ihm in die Berge kommen, für Spitzel. „Borben hatte sich der Revolution von Anfang an verschrieben und der Bereinigung der Partisanenreihen.“ Als er den Bauern Voranc, einen Freund der Partisanen, für einen Verräter hält, holt er den Bauern aus dem Bett, erschießt ihn und vergewaltigt dessen Ehefrau. Worauf ihn wiederum ein Partisan erschießt. Doch nach der Befreiung, Valentin wird Offizier mit Tito-Mütze, drängen Gestalten in die Reihen der Revolution, die ihren Hass auf „Volksdeutsche“ offensichtlich auch durch Folterungen und Misshandlungen ausleben wollen.

Dennoch: In vielen Zeilen des Buches spürt der Leser den Glanz des roten Sterns auf der Tito-Mütze, der für den gerechten Krieg der antifaschistischen Tito-Partisanen und der Roten Armee steht und der Licht in das unterdrückte slowenische Volk getragen hat.

Drago Jancar
Wenn die Liebe ruht
Carl Hanser Verlag, 2019
geb., 400 Seiten, 25,- Euro

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"Wenn die Liebe ruht", UZ vom 3. Juli 2020



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