Vor einem Jahr verkündete Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, dass Russland Hunger als Instrument im Ukrainekrieg einsetzte. So am 24. Juni, wo sie dem „ZDF“ erklärte, dass 345 Millionen Menschen weltweit hungerten, Russland nehme die ganze Welt als Geisel.
Die Zahl der Hungernden wird seitdem noch gestiegen sein – das ist entsetzlich. Und das, obwohl sich Russland und die Ukraine in Verhandlungen auf ein Abkommen geeinigt haben, dass die Ausfuhr ukrainischen Getreides über Schiffskorridore im Schwarzen Meer trotz des Krieges erfolgen kann. Ermöglicht wird damit auch der Export russischen Getreides und russischer Düngemittel, was üblicherweise im Wertewesten verschwiegen wird mitsamt der Tatsache, dass der Anteil Russlands am Kampf gegen den Hunger in der Welt höher ist als der der Ukraine.
Anfang des Jahres machte das Portal „agrarheute“ eine Bilanz auf: In den ersten 150 Tagen des Abkommens haben etwa 700 Getreideschiffe die Ukraine verlassen. Das mit Abstand wichtigste Ausfuhrprodukt – fast die Hälfte der gesamten Exportmenge – war Körnermais als Tierfutter. Weit weniger als ein Prozent der Gesamtlieferungen gingen an die afrikanischen Länder, in denen Menschen massenhaft hungern, wie Äthiopien, Kenia, Sudan oder Somalia.
Nun haben Ungarn, die Slowakei und Polen den Import von Getreide aus der Ukraine verboten. Nicht nur, weil das Getreide teilweise mit Pestiziden verseucht sei, sondern weil die heimische Landwirtschaft vor der Billigkonkurrenz geschützt werden soll. Seit Beginn des Krieges wird ukrainisches Getreide zollfrei gehandelt.
In vielen Ländern Afrikas hingegen zerstört die Politik der EU die Nahrungsmittelproduktion mit ihrer Billigkonkurrenz. Sie subventioniert den Export landwirtschaftlicher Produkte, so dass einheimische Erzeuger vom Markt verdrängt werden. So wird die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten aus der EU für diese Länder bewusst gesteigert.
Der Hunger auf der Welt hat also nicht viel mit dem Krieg in der Ukraine zu tun. Der Profit entscheidet darüber, wer wo hungert. Es mangelt weniger an der Produktion von Lebensmitteln als an der Absicht, sie denen zukommen zu lassen, die sie zum Überleben brauchen.
Wer den Hunger in Afrika überwinden möchte, darf zum Kapitalismus nicht schweigen.