Zum 1. Januar 2024 soll der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland um 41 Cent oder 3,4 Prozent auf 12,41 Euro pro Stunde steigen. Im Jahr darauf, zum 1. Januar 2025, soll der Mindestlohn dann um 3,3 Prozent auf 12,82 Euro steigen. Das hat die Mindestlohnkommission gegen die Stimmen der in ihr vertretenen Gewerkschaften beschlossen. Die Erhöhung liegt damit deutlich unterhalb der aktuellen Inflationsrate.
„Um diesen Mindestschutz sowie einen Ausgleich der Inflation zu erreichen, hätte der Mindestlohn zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen. Die Arbeitgeber und die Vorsitzende der Kommission haben sich dem verweigert“, sagte Stefan Körzell, Mitglied des DGB-Bundesvorstands sowie der Mindestlohnkommission. Es sei „vollkommen aberwitzig“, dass die Arbeitgeber als Basis für die kommende Erhöhung nicht den aktuell geltenden Mindestlohn von 12 Euro, sondern den alten Mindestlohn in Höhe von 10,45 Euro angesetzt hätten. Zum Oktober 2022 hatte der Gesetzgeber der hohen Inflation wegen den Mindestlohn außerhalb der Reihe auf 12 Euro erhöht.
Um die Kaufkraft der Mindestlohnempfänger zu erhalten, hätte der Mindestlohn auf mindestens 13,50 Euro steigen müssen, heißt es vom DGB. Zudem muss bis die BRD bis spätestens Ende 2024 die Mindestlohnrichtlinie der EU umsetzen, derzufolge der Mindestlohn mindestens 60 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten betragen muss. Das wären aktuell mehr als 14 Euro pro Stunde.
Der Paritätische Gesamtverband hatte im Vorfeld der Kommissionsentscheidung gefordert, den gesetzlichen Mindestlohn auf mindestens 14 Euro pro Stunde anzuheben. „Jemand, der Vollzeit erwerbstätig ist, muss von seinem Lohn für sich selber sorgen können. Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch des Anstands“, sagte Verbandshauptgeschäftsführer Ulrich Schneider laut Nachrichtenagentur dpa. Schneider wies darauf hin, dass es dabei auch um spätere Rentenansprüche gehe. Mit der jetzigen Erhöhung um nur 41 Cent droht selbst Beschäftigten, die 45 Jahre in Vollzeit gearbeitet haben, die Altersarmut.
Die DKP hatte bereits im Bundestagswahlkampf 2021, lange vor den immensen Preissteigerungen der letzten Jahre, einen Mindestlohn von 15 Euro gefordert, um Beschäftigten ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Der Beschluss der Mindestlohnkommission muss noch von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für verbindlich erklärt werden. Dieser kündigte am Montag an, die Verordnung umzusetzen. Er wisse, dass sich die Gewerkschaften „einen höheren Mindestlohn gewünscht hätten“, sagte Heil. Das Mindestlohngesetz gebe der Bundesregierung jedoch nur die Option, den Vorschlag der Kommission umsetzen oder eben nicht. Ihm sei wichtig, dass der Mindestlohn steige und sich fortentwickle. Dass der Reallohn mit diesem Beschluss deutlich sinkt, ignoriert der Arbeitsminister mit seiner Entscheidung.
Wie hoch der Mindestlohn ist, hat indirekt auch Auswirkung auf die Tariflöhne – besonders in den unteren Lohngruppen. Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass die Erhöhung der Lohnuntergrenze auf 12 Euro 6,64 Millionen Menschen zugute kam. Das sind 17,8 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland.In Ostdeutschland sind es mit 1,46 Millionen fast 30 Prozent der dort arbeitenden Menschen. Unter denjenigen, die von der letzten Erhöhung profitiert haben, sind laut WSI 2,55 Millionen Vollzeitbeschäftigte. Unter Teilzeitbeschäftigten waren es 20,1 Prozent und unter Minijobbern sogar 80 Prozent.
Aber nicht für alle gilt der Mindestlohn überhaupt: So sind zum Beispiel Auszubildende, minderjährige Beschäftigte ohne Berufsausbildung, Langzeitarbeitslose und viele Praktikanten davon bisher ausgenommen. Außerdem versuchen Unternehmen immer wieder, die Zahlung von Mindestlöhnen zu unterlaufen.