Dass ein Repräsentant des linken Parteiflügels bei der Vorwahl der französischen Sozialisten zur Präsidentenwahl gesiegt hat, ist ein weiteres Zeichen dafür, wie tief und breit die Ablehnung ist, die der Kurs des bisherigen Staatschefs François Hollande in der zurückliegenden fünfjährigen Amtszeit und seine Ergebnisse selbst im eigenen Lager, unter den Anhängern der französischen Sozialdemokratie, hervorgerufen hat.
Mit einem Abstand von mehr als 17 Prozent ließ der Linke Benoît Hamon bei dieser Vorwahl am vergangenen Sonntag Hollandes Ex-Regierungschef Manuel Valls hinter sich. Hamon konnte 58,7 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen, während Valls nur auf 41,3 Prozent kam. Immerhin hatten sich über 2 Millionen Menschen an dieser Abstimmung beteiligt, rund 21 Prozent mehr als bei der ersten Runde der Vorwahl eine Woche vorher.
Damit steht fest, dass Hamon der Kandidat der „Parti Socialiste“ (PS) und ihrer traditionellen Verbündeten für die im April/Mai anstehende Neuwahl des französischen Staatspräsidenten ist. Nach wie vor völlig ungeklärt bleibt aber, ob und wie sich zu dieser Wahl eine mehrheitsfähige Alternative aus dem Spektrum der französischen Linken gegen den drohenden weiteren Rechtsruck herausbilden kann.
Die fünf letzten Meinungsumfragen verschiedener Institute, alle im Januar 2017 erhoben, ergaben übereinstimmend, dass nach wie vor die Anführerin des rechtsextremistischen „Front National“, Marine Le Pen, im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl am 23. April mit 25 – 28 Prozent an der Spitze liegt, gefolgt vom erzreaktionären Kandidaten der bürgerlichen Rechten, François Fillon, mit 22 – 25 Prozent. Knapp hinter Fillon an dritter Stelle liegt Hollandes Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron mit 16–20 Prozent, der Fillon unter Umständen noch überholen könnte. Auf dem 4. Platz folgt der Linkssozialist Jean-Luc Mélenchon mit seiner Bewegung „La France insoumise“ („Das widerständige Frankreich“), zu dessen Wahl seit Ende November trotz diverser Differenzen auch die französischen Kommunisten (PCF) aufrufen. Er kommt laut Umfragen auf 13 – 15 Prozent. Erst an 5. Stelle folgt Benoît Hamon mit 6 – 13 Prozent als Kandidat der PS. Die „Grünen“ (EELV) mit ihrem Kandidaten Yannick Jadot landen mit 2–2,5 Prozent auf dem 6. Platz.
Damit droht nach wie vor ein zweiter Wahlgang am 7. Mai, bei dem nur noch die zwei Bestplatzierten aus der ersten Runde zur Wahl stehen, faktisch also nur noch die Wahl zwischen der Rechtsextremistin Le Pen und dem Reaktionär Fillon besteht, eine „Wahl zwischen Pest und Cholera“.
Benoît Hamon hat seinen linken Mitkonkurrenten Jadot und Mélenchon unmittelbar nach seinem Erfolg bei der Vorwahl einen Dialog vorgeschlagen, um „zusammen eine kohärente und dauerhafte Regierungsmehrheit für den sozialen, ökologischen und demokratischen Fortschritt aufzubauen.“ Sowohl Jadot wie Mélenchon hatten aber schon vorher wissen lassen, dass sie nicht die Absicht hätten, ihre Kandidatur zugunsten eines PS-Kandidaten zurückzuziehen. Bei ihren ersten Reaktionen nach der Wahl Hamons betonten sie allerdings, dass es hinsichtlich der erklärten politischen Ziele und Vorhaben mit Hamon viele Gemeinsamkeiten gibt und sie zu Gesprächen bereit sind. Dennoch bleibt äußerst fraglich, ob dies ausreicht, dass doch noch eine erfolgversprechende gemeinsame Kandidatur der alternativen Linkskräfte zustande kommt, die eine reale Aussicht hat, in den zweiten Wahlgang zu kommen. Doch auch ein Rückzug der Kandidatur von Hamon etwa zugunsten von Mélenchon ist nach dessen Erfolg bei der PS-Vorwahl eher unwahrscheinlich. Hamon hat damit zu kämpfen, dass ein Teil der bisherigen PS-Abgeordneten und des rechten Flügels der Sozialdemokratie sich lieber dem „Sozialliberalen“ Emmanuel Macron anschließen wird als den linken Hamon oder gar Mélenchon zu unterstützen.
Die französischen Kommunisten haben die Wahl von Hamon zum PS-Kandidaten als Zeichen der Abkehr vom Hollande-Kurs begrüßt, zugleich aber ihre Unterstützung für Jean-Luc Mélenchon bekräftigt. Parallel dazu unterstrichen sie erneut, dass die im Juni anstehende Neuwahl des französischen Parlaments politisch nicht weniger bedeutend ist als die Präsidentenwahl. Auf einer Pressekonferenz der PCF am 28. Januar betonte Nationalsekretär Pierre Laurent im Beisein der ersten 124 von der PCF nominierten Kandidatinnen und Kandidaten für die Parlamentswahl, dass es nicht ausreicht, nur den „Bewohner im Präsidentenpalast“ zu wechseln. Gegen den Trend zur ‚„Präsidialmonarchie“ sei eine grundlegende Erneuerung der Demokratie erforderlich. Er schlug dafür einen „Republikanischen Pakt für ein Frankreich der Gemeinsamkeit“ vor, der einen breiten Diskussionsprozess für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung für eine VI. Französischen Republik initiieren soll. Bei einem Zusammentreffen von Laurent mit Melenchon am 23. Januar wurde die Bildung einer Arbeitsgruppe vereinbart, die sich mit dem Problem der vorhandenen Konkurrenz-Kandidaturen zu den Parlamentswahlen zwischen PCF und der Mélenchon-Formation in einer Reihe von Wahlkreisen befassen soll.