Wendt will die Notbremse ziehen

Kolumne von Nina Hager

Nina Hager, Chefredakteurin der UZ

Nina Hager, Chefredakteurin der UZ

Am 18. Oktober – nur wenige Stunden nach dem Mordanschlag auf die parteilose Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt in Köln, Reker, die als Vertreterin einer scheinbar „liberaleren“ Flüchtlingspolitik gilt – forderte der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, in der „Welt am Sonntag“ den Bau eines Zauns an der Grenze zu Österreich und damit eine massive Sicherung der Grenzen. Deutschland dürfe das Signal „Kommt alle her“ nicht mehr länger aussenden. Wendt behauptete: „Unsere innere Ordnung ist in Gefahr, wir stehen vor sozialen Unruhen, jemand muss jetzt die Notbremse ziehen.“ Er verlangte von Kanzlerin Merkel entsprechend zu handeln. Jörd Radek, stellvertredene GdP-Bundesvorsitzender, nannte Wendts Vorstoß ein „unverantwortliches Spiel mit dem Feuer“.

Sofort aber erhielt Wendt Beifall von rechts. Von all denen, die eine weitere massive Verschärfung der deutschen Flüchtlingspolitik verlangen – aus der CSU, von Teilen der CDU, aus der Jungen Union und natürlich aus der AfD. In der engagieren sich bekanntlich schon länger auch Faschisten. Auch ALFA-Generalsekretärin Trebesius wies „Angriffe“ auf Wendt zurück.

Dieser „Ordnungshüter“ hatte – wieder einmal – aber nur ausgesprochen, was die Rechte schon lange will.

Die Junge Union forderte noch am Sonntag eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Einrichtung von Transitzonen an den Grenzen. Dort solle im Schnellverfahren die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen geprüft und Menschen ohne gültigen Ausweis grundsätzlich abgewiesen werden. Die CSU drängt auf eine nächste Verschärfung des Asylrechts; die jetzt beschlossene Gesetzgebung reicht denen nicht. – Wendt hat damit auch Pegida und Co. für ihre Aktionen eine weitere willkommene Vorlage geliefert.

Die Rolle der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und ihres Vorsitzenden wäre jedoch noch einer tieferen Analyse wert. So begrüßte Wendt beispielsweise die brutalen Polizeieinsätze gegen Stuttgart-21-GegnerInnen sowie verdachtsunabhängige Kontrollen gegen „dunkelhäutige“ Menschen und Aktionen gegen AntifaschistInnen. Seine DpolG fordert u. a. die Herabsetzung des Erwachsenenstrafrechts. Bereits 12-Jährige sollen strafmündig werden …

Heute geht es um die Flüchtlingspolitik. Damit ist das Schicksal, ist die Zukunft vieler Zehntausender, völlig verzweifelter Menschen, verbunden. Doch das kümmert diese Typen nicht. Denen es geht um mehr.

Wendt hat eine Vorlage geliefert für alle jene, denen selbst die Überreste der bürgerlichen Demokratie, aber vor allem Humanität und Solidarität ein Übel sind, denen der Abbau von Grundrechten zur eigenen Herrschaftssicherung, zum repressiven „Sicherheitsstaat“ nicht schnell genug geht.

Gewiss gab es viele kritische Reaktionen auf Wendts Äußerungen in der „Welt am Sonntag“. Aus der Partei „Die Linke“, von den Bündnisgrünen und – wie schon erwähnt – aus der DGB-Gewerkschaft GdP, von vielen im Internet und auf der Straße.

So richtig und wesentlich das ist: Das Engagement und der bisherige Widerstand reichen nicht …

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"Wendt will die Notbremse ziehen", UZ vom 23. Oktober 2015



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