Ein Sachstand zum Bruch des Kachowka-Staudamms

Wem nützt es?

Gert Ewen Ungar, Moskau

Am 6. Juni brach der Staudamm von Kachowka. Die Wassermassen überfluteten Cherson, dabei kamen fünf Menschen ums Leben. Durch die Überflutung droht eine ökologische und humanitäre Katastrophe.

Vorausgegangen war dem Bruch ein Beschuss durch die ukrainische Armee. Eine Salve eines Olcha-Mehrfachraketenwerfers hat den oberen Teil des Kraftwerks zerstört, berichten russische Medien. Die Salve allein hätte den Damm nicht zum Einsturz bringen können, allerdings war er bereits stark beschädigt. Schon im Herbst des vergangenen Jahres wurde er von der Ukraine massiv beschossen. Cherson wurde von Russland kontrolliert. Mit dem Beschuss des Staudamms, seinem drohenden Bruch und der absehbaren Katastrophe zwang die Ukraine die russischen Truppen zum Rückzug vom rechten Ufer der Dnjepr. Zuvor war die Gegend evakuiert worden, Zivilisten wurden in Sicherheit gebracht. Das ist der Grund für die vergleichsweise niedrigen Opferzahlen, nachdem der Damm nun schließlich doch zum Einsturz gebracht worden ist. Der Bruch des Damms machte jedoch weitere Evakuierungen notwendig, die unter dem Beschuss der Ukraine stattfanden.

Das Wasser des Dnjepr dient auch zur Kühlung des Atomkraftwerks in Saporischja. Der Pegel des Wasserreservoirs, das die Kühlung speist, sinkt seit einigen Tagen. Das Atomkraftwerk ist unter russischer Kontrolle, liegt aber unter regelmäßigem Beschuss der Ukraine.

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski ermittelt inzwischen der Internationale Strafgerichtshof (IStGH). „Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs haben die Region Cherson in den vergangenen Tagen besucht“, sagte Selenski in einer Videoansprache. Der IStGH hat dies offiziell bisher nicht bestätigt.

Bestätigt dagegen ist, dass auch Russland eine Untersuchung eingeleitet und ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen Terrorismus eröffnet hat.

Interessant ist, wie deutsche Medien auf den Fall reagierten. So legte die „Tagesschau“ unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls die Fährte nach Russland. Sie interviewte Christian Mölling, den stellvertretenden Direktor des steuerfinanzierten transatlantischen Thinktanks „Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP). Mölling glaubt, die Sprengung zeige, wie wenig Handlungsspielraum Russland militärisch noch bleibe. Russland sei militärisch „ziemlich blank” und nicht mehr in der Lage zu eskalieren. Dies ist angesichts der Tatsache, dass es sich bei Russland um eine Atommacht handelt, eine grob irreführende Behauptung. Wenig später nachlegen durfte dann Carlo Masala, Politologe an der Universität der Bundeswehr in München.

Die manipulative Strategie, welche die „Tagesschau“ in diesem Zusammenhang anwendet, ist nicht neu. Schon beim Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines ließ die „Tagesschau“ unmittelbar darauf einen norwegischen Militärexperten zu Wort kommen, der behauptete, der einzig mögliche Akteur sei Russland.

Auch andere Medien lassen in diesem Zusammenhang jede journalistische Sorgfaltspflicht beiseite und deuten auf Russland als verantwortlich für den Bruch des Staudamms. Die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg in Deutschland ist von erschreckender Einseitigkeit und hat längst Propagandacharakter.

Das Kachowka-Wasserkraftwerk ist das sechste und letzte Kraftwerk in einer Kaskade von insgesamt sechs Wasserkraftwerken entlang des Dnjepr. Der Bau wurde in den 1950er Jahren von der Sowjetunion realisiert und diente der Energieversorgung, sollte aber auch den Süden und die Krim mit Süßwasser beliefern. Der Bau der Staudamm-Kaskade gilt als eine der großen Leistungen der Sowjetunion, die der Erhöhung des Lebensstandards dienten.

Durch den Bruch des Staudamms ist der Nord-Krim-Kanal inzwischen von der Wasserversorgung abgeschnitten. Bereits nach der Eingliederung der Krim nach einem Referendum im Jahr 2014 verhängte die Ukraine eine Wasserblockade und schnitt die Krim vom Zugang zu Süßwasser ab. Mit Beginn der militärischen Spezialoperation wurde diese Blockade aufgebrochen. Jetzt droht der Krim erneut Wasserknappheit.

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"Wem nützt es?", UZ vom 16. Juni 2023



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