Der Erfolg der DDR bei der WM 1974 war sportlich keine Sensation

Weltmeister-Besieger

Friedhelm Vermeulen

„Ekel“ Alfred Tetzlaff, Hauptfigur der WDR-Fernsehserie „Ein Herz und eine Seele“, sprach aus, was viele dachten: Die DDR wird beim Aufeinandertreffen mit der BRD im Volksparkstadion keine Chance haben.

In der kurz vor dem Spiel ausgestrahlten Folge „Besuch aus der Ostzone“ bekommt Familie Tetzlaff Besuch aus der DDR. Die Weltmeisterschaft, die in der BRD ausgetragen wird, hat bereits begonnen, das Thema Fußball kommt noch im Wohnungseingang zur Sprache. Die Gäste aus der DDR wagen es sogar, die Möglichkeit eines Sieges ihrer Mannschaft vorsichtig anzudeuten, versichern aber, selber nicht daran zu glauben.

„Ekel“ Alfred ist trotzdem empört. Die deutsche Nationalmannschaft sei nicht das Kanzleramt, dort ließen sich keine Agenten einschleusen. „Sepp Maier könnt ihr Handschellen anlegen und Beckenbauer die Augen verbinden, ihr verliert, weil ihr kommunistische Roboter seid.“

Dass es anders kam, ist nicht nur dem Torschützen Jürgen Sparwasser zu verdanken. Es ist die „goldene Generation“ des DDR-Fußballs, die bei der WM 1974 antritt. Aber selbst Experten waren überrascht davon, dass die DDR am Ende die Vorrunde als Gruppenerster abschließt.

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Autogrammstunde mit Jürgen Sparwasser vor dem Hotel Altenkamp in Ratingen (Foto: Bert Verhoeff / Anefo)

Dabei hatten Teile des WM-Kaders von 1974 bereits beim UEFA-Juniorenturnier 1965 gezeigt, was sie können. Beim Finale, das die DDR 3:2 gegen England gewann, waren unter anderem die drei Jürgen – Torhüter Jürgen Croy, Hans-Jürgen Kreische und Jürgen Sparwasser – bereits zusammen auf dem Platz. Bei den Olympischen Spielen in München 1972 holte die DDR im Fußball die Bronzemedaille und später in Montreal 1976 sogar Gold.

Ganz so erfolgreich war die DDR bei der Weltmeisterschaft 1974, bei der im Gegensatz zu den Olympischen Spielen auch alle Fußballprofis auflaufen dürfen, nicht. In der Zwischenrunde schied die Mannschaft nach einer unglücklichen Niederlage gegen Brasilien und einer weiteren gegen den späteren Finalteilnehmer Niederlande aus. Dennoch stand am Ende eine ausgeglichene Bilanz. Wie stark die DDR defensiv aufgestellt war, davon zeugen die nur fünf Gegentore in sechs Spielen.

Und es war auch nicht so, dass die Nationalmannschaft nur aus einigen wenigen Ausnahmetalenten bestand. Trainer Georg Buschner hatte eine breite Auswahl, aus der er das Team zusammenstellen konnte. Das zeigte sich auch daran, dass die Oberliga-Vereine international erfolgreich waren: Der 1. FC Magdeburg, DDR-Meister der Saison 1973/74, gewann am 8. Mai 1974 in Rotterdam gegen den AC Mailand den Europapokal der Pokalsieger. Dynamo Dresden zeigte sich im Europapokal der Landesmeister 1973 auf Augenhöhe mit dem FC Bayern München und verlor das erste Aufeinandertreffen zweier Mannschaften aus der DDR und der BRD nur knapp mit 3:4 und 3:3. Das Finale gewann Bayern München dann 1974 deutlich gegen Atlético Madrid. Und der 1. FC Lokomotive Leipzig schaffte es in der gleichen Saison im UEFA-Pokal bis ins Halbfinale.

„Ekel“ Alfred hätte es also besser wissen können. Dennoch zeigten sich alle überrascht – bis heute. Es blieb das einzige Aufeinandertreffen der DDR und der BRD bei einem offiziellen Länderspiel. Und es blieb die einzige WM-Qualifikation einer DDR-Fußballnationalmannschaft.

Die MDR-Dokureihe „Unsere Mannschaft ’74“ (5 Folgen) in der ARD-Mediathek, verfügbar bis 15. Juli 2024.
Die Folge „Besuch aus der Ostzone“ der Fernsehserie „Ein Herz und eine Seele“ in der ARD-Mediathek.

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"Weltmeister-Besieger", UZ vom 14. Juni 2024



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