Die Liga hatte spielfrei, also auch ich. Eigentlich schaue ich überhaupt keine Länderspiele, alleine weil ich mit „Nationen“ nichts anfangen kann. Deutschland gegen Holland allerdings ist ja ein Klassiker, ich bemühte mich also auf niedrigster Flamme, jemanden zum Mitgucken zu finden. Meine Kneipe allerdings „whatsappte“ zurück: „Erfahrungswert bei dem Wetter 5 Zuschauer, wir bleiben zu“ und in der Fußballgruppe konnte sich von 30 Leuten gerade einer vorstellen, das Spiel zu schauen. Ich blieb also auf dem heimischen Sofa, aber Fußball alleine schauen ist so unterhaltsam wie isländischen Bonsai züchten oder betrunken Murmeln designen. So schaffte ich es, 90 Prozent der Zeit auf ARTE zu verweilen, das einen Bericht über Spezialeffekte im Kino der 80er Jahre zeigte. Lustig, was damals alles gemacht wurde. Das einzige Tor, welches ich live vom Spiel sah, weil ich gerade mal umschaltete, war aus reinem Zufall das 1:1 der Holländer. Ganz hübsch anzusehen. Den Rest las ich am nächsten Tag: Holland hui, Deutschland pfui. Und das 2:2 der Deutschen war auch noch ein niemals-nie gewesener Handelfmeter. Jogi Löw erkannte immerhin: „Ich bin enttäuscht. Über 90 Minuten war Holland die bessere Mannschaft.“ Was keinesfalls am Trainer liegen könnte. Der ist nämlich: Weltklasse.
Weltklasse auch die Choreografie des „Fan Club Nationalmannschaft“ (wer gründet so etwas und vor allem, warum um Himmels Willen?): „Volley“ lasen die überraschten Zuschauer über die ganze Kurve geschrieben und rätselten „voll, ey?“. Nun ja, eigentlich sollte da „Vollgas“ stehen, mit der hübschen Unterzeile „Von Hamburg über München nach London“. Aber kurz bevor die Deutschen wieder „Gas“ geben durften, hat dann doch ein dutttragender Medienprofi mit weißer Nase eine helle Minute gehabt und darauf hingewiesen, dass der Spruch „etwaige Fehlinterpretationen vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte vor allem im Ausland“ haben könnte. „Könnte“. Wirklich Weltklasse.
Weltklasse gilt sicherlich auch für den Fauxpas des „Spieltages“: Das Qualifikationsspiel Frankreich – Albanien begann mit einer Nationalhymne. Nicht dass ich Hymnen überhaupt etwas abgewinnen würde. Wenn ich selber noch mal auf den Platz laufen dürfte, würde ich mir einfach was Lustiges aussuchen, „Herr Rossi sucht das Glück“ von Bruno Bozzetto zum Beispiel, das würde zu mir passen. Allerdings erklang im „Stade de France“ statt der albanischen Hymne die Hymne von Andorra. Muss man mal schaffen. Nachdem die Spieler rätselten und die Zuschauer tobten, klärte der Stadionssprecher den Fehler auf und belehrte die Fans, trotzdem die Nationalhymne von – Achtung! – Armenien „zu respektieren“. Bekiffter moderieren geht eigentlich nicht. Weltklasse.
Und sonst? Spanien siegte nur 4:0 gegen die Färöerinseln (dort leben 49 500 Menschen), wahrscheinlich hatten Letztere zwei Dutzend Schafe zusätzlich zwischen die Pfosten gestellt. Auch cool: Türkei gegen Andorra (Einwohnerzahl 77 200) nur 1:0. Griechenland patzte gar ganz mit einem 1:1 gegen Liechtenstein (Einwohnerzahl 38 200). Hübsch. Aber eigentlich machen mir nur diese Zwerge Spaß, der Rest der EM-Qualifikation geht mir dezent hintenrum vorbei.
Viel interessanter: Warum ein Londoner zwölft Ligist (!) Tausende Trikots verkauft. Noch dazu ein echt hässliches. Es ist geteilt in die Farben rot und lila, dazu kommen ein gezackter, gelber Brustring und diverse, dreispitzige Sterne. Richtig schlimm. Das Design hat aber eine historische Bedeutung: Es sind die Farben der Internationalen Brigaden, die im Spanischen Krieg auf der Seite der Zweiten Spanischen Republik kämpften. Club-Mitglied und Designer Thom sagte dazu: „Ich wollte etwas zu Ehren derjenigen machen, die versuchten, den Faschismus in Spanien aufzuhalten. Damit sich die Leute daran erinnern.“ Innerhalb kürzester Zeit wurde das Trikot der völlig unbekannten Mannschaft in England und Spanien zum Verkaufshit und der kleine Verein völlig vom Erfolg überrascht. Ich sag einfach mal: Weltklasse.