Modis BJP siegt bei den Wahlen in Indien auf ganzer Linie

Welle des Nationalismus

Von Manfred Idler

Bei den Wahlen ist über Indien eine nationalistische Welle zusammengeschlagen. Von den 542 Sitzen im indischen Unterhaus, der Lok Sabha, wird Narendra Modis Janata-Partei (BJP) in Zukunft 303 besetzen. Das ist weit mehr als die absolute Mehrheit. Modi triumphierte schon während der Auszählung, „Wieder gewinnt Indien“, und erhob damit für sich und seine Partei den Alleinanspruch auf die Nation. Amit Shah, der Vorsitzende der BJP, kommentierte euphorisch das Walergebnis: „Dieser große Sieg ist der Sieg des Vertrauens des Volkes nach fünf Jahren fortschrittlicher und starker Führung durch Premierminister Modi.“

Der Zugewinn der größten Oppositionspartei, der Kongresspartei, um acht Sitze auf jetzt 52 kann nicht überdecken, dass diese traditionsreiche Partei bisher kein Mittel gefunden hat, ihren Niedergang aufzuhalten. Zumal sie auch in den Bundesstaaten Chhattisgarh, Madhya Pradesh und Rajastan, wo sie im vergangenen Jahr die Regionalwahlen gewonnen hatte, nicht weiter punkten konnte. Nur die Bundesstaaten Tamil Nadu und Kerala im Süden des Riesenlandes wurden nicht von der Welle erfasst. Das Bündnis um die Kongresspartei errang hier 19 Sitze,

Die einzigen beiden Staaten, die sich widersetzt haben, sind Tamil Nadu und Kerala (Süden). In Letzterem, einem ihrer Stammländer, errang die Kommunistische Partei Indiens (Marxisten) im Regionalparlament gerade noch einen Sitz. In Westbengalen kamen die Kommunisten, die den Bundesstaat bis 2011 regiert hatten, nur noch auf 3 Prozent.

Narendra Modi ist in wirtschaftlichen Fragen ein Vertreter des Big Business, eingefleischter Neoliberaler. Er gehorcht den „Reform“befehlen der Weltbank aufs Wort und reißt die Türen des indischen Wirtschaftsraums sperrangelweit auf für ausländische Investitionen. Als fanatischer Hindunationalist ermutigt er gewalttätige Gruppen vom rechten Rand zu Gewalt und Lynchmorden an Muslimen und anderen religiösen Minderheiten sowie fortschrittlichen politischen Bewegungen und den Dalits, die „Unberührbaren“ des hinduistischen Kastenwesens, die auch heute noch die unterste soziale Schicht des Landes stellen. Von den 1,3 Milliarden Menschen in Indien waren nach der letzten Zählung aus dem Jahr 2011 über 14 Prozent Muslime. Die Einflussnahme auf Medien und staatliche Institutionen hat in den vergangenen fünf Jahren Modi-Regierung stark zugenommen – bis hin zur Repression.

Außenpolitisch profiliert sich Modi mit einer Politik, die den Konflikt mit dem Nachbarn Pakistan sucht. Wie Reaktionäre in aller Welt nutzt er die Phrase vom „Krieg gegen den Terror“ für aggressive Drohungen nach innen und außen. Sein „Programm“: „Das neue Indien wird in die Häuser der Terroristen eindringen und sie töten. Wir werden auf eine Kugel mit einer Kanone antworten.“

Seit einem Pogrom an der muslimischen Bevölkerung in der Provinz Gujarat im Jahre 2002 wird Modi hinter vorgehaltener Hand als „Henker von Gujarat“ bezeichnet. Zwar wurde Modis Anteil an dem Massenmord nie ganz aufgeklärt, doch hat diese Bezeichnung in nationalistischen Kreisen heute schon den Beiklang von Hochachtung.

Der Zuspruch für die säkularen Parteien ist in den letzten fünf Jahren massiv zurückgegangen. Die einst dominierende Kongresspartei hat keine überzeugende Konzeption mehr – weder ideologisch noch wirtschaftspolitisch. Die Linke, darunter die Kommunistische Partei Indiens (CPI) und die Kommunistische Partei Indiens – Marxisten (CPI-M), ist geschrumpft. Immerhin gelang es der CPI-M, noch, eine beachtliche Bewegung der landlosen Bauern zu initiieren. Die Verteidigungsposition zwingt die kommunistischen Parteien zu neuen Bündnissen. Im Bundesstaat Telangana gelang der CPI-M die Gründung einer Linksfront mit anderen linken Parteien.

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"Welle des Nationalismus", UZ vom 31. Mai 2019



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