Zur israelischen Justizreform

Welche Demokratie?

Unternehmen, die aus Protest schließen, mehr als 10.000 Reservisten der Armee und Luftwaffe und selbst Reservisten der Geheimdienste wollen nicht mehr zum Dienst antreten, wenn die Justizreform in Israel durchgesetzt wird. Monatelang mobilisierte die Protestbewegung Woche für Woche Zehn- bis Hunderttausende. Straßen wurden blockiert und von der Polizei mit Hilfe von Wasserwerfern geräumt. Und auch nach der Verabschiedung des ersten Teils der Justizreform gehen die Proteste weiter. Am Dienstag dieser Woche streikten die Beschäftigten im Gesundheitswesen.

Seit Monaten gibt es Beobachter, die einen Bürgerkrieg fürchten. Der israelische Präsident Jitzchak Herzog warnte schon im März vor dem „Abgrund“, der greifbar nahe sei. Die Spaltung der israelischen Gesellschaft ist tief.

Doch die Regierung Netanjahu konnte den Kern der Justizreform mühelos in der Knesset verabschieden. In Zukunft kann der Oberste Gerichtshof nicht mehr darüber urteilen, ob eine Entscheidung der Regierung vernünftig und sachgemäß ist, die Regierung muss ihre Entscheidungen nicht mehr rechtfertigen. 64 zu 0 lautete das Abstimmungsergebnis, alle Abgeordneten der Regierungskoalition stimmten für die Reform, die Opposition nahm an der Abstimmung nicht teil.

Vertreter der extrem rechten Regierung triumphierten und posierten für Selfies. Yair Lapid gab als Vertreter der Opposition ein düsteres Statement ab. Die Gesetzesänderung bedrohe das gesamte System der Gewaltenteilung in Israel. Es sei kein Sieg für die Regierung, meinte er, sondern eine Niederlage für die israelische Demokratie.

Mit der Regierung Netanjahu, mit den rechtsextremen Parteien, ihren religiös-zionistischen Vorstellungen und Plänen ist tatsächlich das bestehende Staatswesen Israels bedroht, die „israelische Demokratie“ in Gefahr. Doch der Kern des Problems liegt nicht in der Justizreform. Die „Israelische Demokratie“ galt immer nur für die jüdischen Bürger. Israel ist ein Staat der Apartheid. Apartheid und Besatzungspolitik aber schließen einen demokratischen Staat aus. Und die Justizreform setzt diese antidemokratische Politik fort.

Viele Palästinenser sehen die Auseinandersetzungen in Israel deshalb mit Freude. Doch die erweiterte Macht der rechtsradikalen Regierung verheißt nichts Gutes – das gilt für Israelis ebenso wie für Palästinenser.

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"Welche Demokratie?", UZ vom 28. Juli 2023



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