Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst stehen am Scheideweg. Sie brauchen Solidarität

Weiter streiken, ein Angebot erzwingen

Auf einem Plakat im Foyer des Nürnberger Gewerkschaftshauses ist das Ergebnis der zweiten Verhandlungsrunde im Öffentlichen Dienst mit zwei großen Pfeilen verdeutlicht. Die eine Richtung: Das Angebot „Nix“ annehmen. Die andere: Weiter streiken, stärker werden, ein Angebot erzwingen.

Kurz vor den beiden Verhandlungstagen am 17. und 18. Februar in Potsdam nahmen die Warnstreikaktionen in den Bezirken an Fahrt auf. In kommunalen Kitas, Kliniken, bei der Müllabfuhr, in Versorgungsbetrieben und an Flughäfen kam es zu Arbeitsniederlegungen. Die Reaktion der Gegenseite: Kein Angebot. Dafür das übliche Lamentieren: Erstens, es ist kein Geld da. Zweitens, das Geld, das nicht da ist, brauchen wir für Aufrüstung. Drittens, an den Forderungen der Gewerkschaft ver.di für 8 Prozent mehr Lohn, mindestens 350 Euro, und drei beziehungsweise vier zusätzlichen freien Tagen ist alles unmöglich. Aber am unmöglichsten ist die Forderung nach mehr Urlaubstagen. Befeuert durch mediale Begleitung von „Bild“ bis FAZ empören sich die Verhandlungsführer von Bund und Kommunen über den Wunsch der Beschäftigten, nicht an immer heftigerem Arbeitsdruck zugrunde zu gehen. Schließlich sei der Öffentliche Dienst auch in Krisenzeiten eine sichere Bank. Das sollte Dankbarkeit und nicht den Wunsch nach Lohnsteigerungen und besseren Arbeitsbedingungen hervorrufen. Aber genau das steckt hinter den Tarifforderungen von ver.di: Die Beschäftigten sollen auch in Großstädten von ihrer Arbeit leben können und dabei nicht gesundheitlich ruiniert werden.

Doch leider macht eine Forderung noch kein Angebot, geschweige denn ein Ergebnis. Dafür sind wieder einmal eine stärker werdende Mobilisierung, Streikbereitschaft und Streikkonsequenz notwendig. Streiks im Öffentlichen Dienst können und müssen gerade mit Blick auf die öffentliche Versorgung und Infrastruktur weh tun. Vor allem dann, wenn sich die Gegenseite weigert, überhaupt auf die Forderungen einzugehen. Doch genau hier liegt die Krux: Spürbare Streikaktionen erhöhen den Druck auf die Arbeitgeberseite. Sie sorgen aber auch bei den kämpfenden Beschäftigten für zusätzlichen Stress. Und zwar in den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, in denen sie ohnehin unter anderem wegen Personalmangels am Limit sind. Die Gegenseite weiß das. Sie verlangen von den Kolleginnen und Kollegen, die ohnehin oft am Ende ihrer Kräfte sind, weitere Anstrengungen, um eine Verbesserung ihrer Lage zu erzwingen. In dieser Situation ist jede Form des Zuspruchs und der Unterstützung willkommen. Die Streikenden brauchen Solidarität.

Die Vertreter aus Sachsen und Thüringen in der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) fordern eine Nullrunde für die Beschäftigten. VKA-Präsidentin Karin Welge befindet, ein zusätzlicher freier Tag für alle Gewerkschaftsmitglieder spalte die Belegschaften. Außerdem sei es nicht ihr Job, die Gewerkschaften zu stärken. Das sagt sie als Mitglied der SPD und als Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen. In der Stadt liegt einer von zwei westdeutschen Wahlkreisen, in denen die AfD die meisten Zweitstimmen erhalten hat. Danke für nichts.

Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst stehen am Scheideweg: Weiterkämpfen oder sich mit „Nichts“ zufrieden geben. Mit Blick auf die kommenden Wochen heißt das: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.

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"Weiter streiken, ein Angebot erzwingen", UZ vom 28. Februar 2025



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