ver.di-Veranstaltungen zur Gesundheitsministerkonferenz
am 5. Juni in Leipzig
11.00 Uhr: Auftaktkundgebung gegenüber dem Hauptbahnhof
11.15 Uhr: Demonstration über den Leipziger Ring
12.15 bis 14.45 Uhr: Kundgebung Reichsstraße/Salzgässchen nahe dem
Konferenzort Steigenberger Hotel
UZ: Am Wochenende haben sich aus der ganzen Bundesrepublik Vertreterinnen und Vertreter der Bündnisse für mehr Personal im Gesundheitswesen zu einem Arbeitstreffen im Düsseldorfer ver.di-Landesbezirk versammelt. Was stand auf der Agenda? Welche Schwerpunkte wurden diskutiert?
Thomas Zmrzly: Einige Bündnisse sind nun schon mehrere Jahre alt, andere wie zum Beispiel hier in NRW haben sich gerade erst gegründet. Manche haben schon Erfahrungen mit der Unterstützung von Arbeitskämpfen für einen „Tarifvertrag Entlastung“ oder auch für Tarifverträge überhaupt in Tochterfirmen – so werden nämlich ganze Arbeitsbereiche wie etwa Küche, Reinigung, Transport gerne kostengünstig ausgelagert. Auch Privatisierungen von Gesundheitseinrichtungen, Verkauf von städtischen Anteilen standen schon vielerorts auf der Agenda. Andere haben sogar Volksbegehren auf Landesebene initiiert. Diesen Erfahrungen galt es Raum zu geben und sie entsprechend auszuwerten. Es wurde außerdem über Personalbemessungsmethoden, Arbeitszeit, über eine bessere Koordinierung untereinander und auch über effektive Mittel und Methoden der politischen Außenwirkung diskutiert.
UZ: Welche Bedeutung und welches Selbstverständnis haben die Bündnisse?
Thomas Zmrzly: Inspiriert sind alle natürlich vom Kampf der Charité-Kolleginnen und -Kollegen in Berlin, wie auch von den Bündnissen aus Berlin und Hamburg. In Berlin und Hamburg haben die Bündnisse gezeigt, dass sie gesellschaftliche Wirkung entfalten können, indem sie die ersten Hürden für Volksentscheide genommen haben. Politisch stehen die Bündnisse hinter den Forderungen der Beschäftigten nach tariflicher und gesetzlicher Personalbemessung. Darüber hinaus ist den allermeisten Bündnissen klar, dass die Privatisierung gestoppt und die Gesundheitsversorgung in öffentliche Hand rücküberführt werden muss. Die Gesundheitsversorgung muss sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten und nicht am kommerziellen Interesse der Gesundheitskonzerne orientieren. Die Slogans „Mehr von uns ist besser für uns alle“ und „Profite pflegen keine Menschen“ drücken dies am besten aus. Die Abschaffung der Fallpauschalen (DRGs) ist dafür die notwendige Voraussetzung.
UZ: Wie ist es um den Rückhalt der jeweiligen Bündnisse bei den Beschäftigten bestellt?
Thomas Zmrzly: Das ist ganz unterschiedlich. Sie ist dort natürlich größer, wo sich Bündnisse im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen gegründet haben. In den Arbeitskämpfen selbst war deutlich zu erleben, wie sich die Kolleginnen und Kollegen über die Unterstützung von außen gefreut haben. Eine Kollegin aus Niedersachsen wusste zu berichten, dass sich dort in vielen Städten Pflegebündnisse gegründet haben, nachdem dort eine Pflegekammer mit Zwangsmitgliedschaft von der niedersächsischen Landesregierung eingerichtet worden war. In Dortmund hat sich gerade ein neues Bündnis gegründet, das sogar von der dortigen DGB-Vorsitzenden unterstützt wird. Es ist sehr breit aufgestellt – auch Akteurinnen und Akteure aus Selbsthilfegruppen und Behindertenpolitik, also über Alten – und Krankenpflege hinaus, sind mit dabei.
UZ: Welche Bilanz ziehen Sie aus der bisherigen Arbeit der Bündnisse?
Thomas Zmrzly: Aus dem Hamburger Bündnis kam die Idee des „Olympischen Briefes“. Forderungen an die Gesundheitsministerkonferenz wurden formuliert, in einem rollenden Koffer quer durch die Republik durch viele Krankenhäuser und Stationen transportiert und dort mit beachtlicher Resonanz unterschrieben. Für alle Beteiligten ein voller Erfolg und eine Ermutigung, weiter am Thema Personalsituation zu arbeiten. Auch organisatorisch lag das in den Händen der Bündnisse. Darüber hinaus wurden die Volksabstimmungen in verschiedenen Bundesländern wesentlich von den Bündnissen entwickelt und getragen. Das allein zeigt, wie wichtig die Bündnisse vor Ort sind. Nicht zuletzt in der Diskussion um Forderungen nach gesetzlicher Personalbemessung und der Rückführung der Gesundheitsversorgung in die öffentliche Hand. Dies drückt sich natürlich am stärksten in den Volksbegehren selbst aus.
UZ: Wie wird die Übergabe des Offenen Briefes am 5. Juni an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Leipzig vorbereitet? Welche Aktionen finden dort statt?
Thomas Zmrzly: Ohne zu viel zu verraten, kann gesagt werden, dass die Unterschriften öffentlichkeitswirksam übergeben werden sollen. Die mehreren hundert Meter an Unterschriften und möglichst viele Aktive aus vielen verschiedenen Städten sollen zeigen, dass weder das Pflegepersonaluntergrenzengesetz noch sonstige Maßnahmen des Bundesgesundheitsministers grundsätzlich etwas an der Situation von Kolleginnen und Kollegen oder Patientinnen und Patienten verbessert haben. Die für einige Bereiche gesetzten Pflegepersonaluntergrenzen und auch die Refinanzierung in 2019 eingestellter Pflegekräfte, laufen Gefahr, durch schlichte Umschichtungsmanöver die aktuelle Situation fortzuschreiben oder gar noch zu verschärfen.
UZ: Und will soll es nach der Übergabe des Offenen Briefes weitergehen?
Thomas Zmrzly: Aktuell schauen viele auf den Ausgang der gerichtlichen Klärung der Volksentscheide in Bayern und Hamburg, denn die Durchführung der Volksentscheide wird dann entsprechend alle Kräfte in Anspruch nehmen. Zum zweiten wird sich zeigen müssen, ob die tariflich erkämpften Abschlüsse zur Personalbemessung, also die „Tarifverträge Entlastung“, das halten, was sie versprochen haben, oder ob es zu erneuten Streiks kommen wird. ver.di und die Kolleginnen und Kollegen der 13 Häuser, in denen ein „Tarifvertrag Entlastung“ abgeschlossen wurde, werden sich auch im Juni treffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Zusätzlich gibt es viele lokale und spezielle Themen, die die Bündnisse vor Ort weiter vorantreiben werden. In NRW selbst geht es in den nächste Monaten um die Konsolidierung neuer Bündnisse, die Bündelung der Kräfte und die Frage, ob in Nordrhein-Westfalen eine Volksinitiative oder gleich ein Volksbegehren in Angriff genommen werden kann und sollte. Das nächste bundesweite Treffen ist für den Herbst in Berlin anvisiert.