Analyse der IG Metall kritisiert „Rettungspaket“

Weiter Druck machen

Als die Bundesregierung ihr 200- Milliarden-Paket verkündete, verbanden die Berliner Koalitionäre damit sicher die Hoffnung, so die aufkommenden sozialen Proteste im Keim zu ersticken. Zumindest in der Sache gibt es keinen Grund, die Proteste abzusagen. So zumindest lautet die Antwort der IG Metall in den aktuellen „Informationen zur Sozialpolitik“ – kurz Sopo Info. Dieses titelte unbeeindruckt von der Rhetorik aus der Bundeshauptstadt: Weiter Druck machen.

Hierfür gibt es aus Sicht der größten DGB-Gewerkschaft gute Gründe: Die Entlastungspakete könnten zusammen mit der Umsetzung einer Gas- und Strompreisbremse zwar punktuell Linderung verschaffen. Sie lindern jedoch nur Symptome und gehen nicht an die strukturellen Probleme, die nun offen zu Tage treten. Einmalzahlungen und Energiepreisbremsen könnten kurzfristig wirksame Krisenmaßnahmen sein, entlassen die Regierung aber nicht aus der Verantwortung, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben und die Energiemärkte wirksam zu regulieren, so die Analyse der IG Metall.

Daher fordert die Gewerkschaft, dass die angekündigte Strom- und Gaspreisbremse zügig umgesetzt werden muss. „Denn die übrigen, in den ersten drei Entlastungspaketen getroffenen Maßnahmen, reichen nicht aus, Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen zu entlasten. Hinzu kommt, dass viele der Beschlüsse, wie steuerliche Erleichterungen, oder die Ausweitung des Wohngeldes, erst ab 2023 wirksam werden und daher in diesem Herbst und Winter keine spürbare Entlastung bringen,“ kritisiert die IG Metall das bisherige Regierungshandeln.

Ein weiterer Kritikpunkt entzündet sich an den beschlossenen Einmalzahlungen. Diese seien zum einen zu gering, um in der Breite der Bevölkerung einen ausreichenden Effekt zu erzielen. Zum anderen sind diese an vielen Stellen zu wenig zielgenau und daher sozial unausgewogen. Besserverdienende würden beispielsweise durch den Abbau der kalten Progression zusätzlich profitieren, während die in Aussicht gestellte Erhöhung des Hartz-IV-Regelbedarfs um circa 50 Euro nicht ausreiche, um eine bedarfsdeckende Grundsicherung zu schaffen.

Außerdem trifft die Inflation Haushalte mit niedrigen Einkommen am härtesten, da die Preissteigerungen überwiegend Güter und Dienstleistungen betreffen, die zum alltäglichen Leben benötigt werden. Während Menschen mit höherem Einkommen hohe Preissteigerungen zumindest mittelfristig durch Mehrausgaben kompensieren können, zwingen die Preissteigerungen Kolleginnen und Kollegen im unteren und mittleren Einkommensbereich schnell zu spürbarem Konsumverzicht. Die IG Metall warnt daher vor drohenden Wohlstandsverlusten, die bis weit in die „arbeitnehmerische Mitte“ hineinreichen.

Ein zentraler Verdienst der IGM-Publikation ist, dass hier mit der Legende aufgeräumt wird, die Inflation sei alleinige Folge von „Putins Krieg in der Ukraine“. Bereits seit Mitte 2021 sind die Preise und Lebenshaltungskosten in Deutschland deutlich angestiegen. Schon während der Corona-Krise waren vor allem unterbrochene Lieferketten und der sich verschärfende Energie- und Materialmangel die Haupttreiber der Inflation, die dann durch den Krieg verstärkt wurden.

Explizit zu dem Wirtschaftskrieg und den Sanktionen gegen die Russische Föderation äußert sich die IG Metall jedoch nicht. Dafür weist sie darauf hin, dass Inflation keinesfalls ein Naturgesetz ist. Sie entsteht durch Entscheidungen von Firmen, ihre Preise für Güter und Dienstleistungen zu erhöhen. „Und zumindest bei Nahrungsmitteln und Benzinpreisen gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass die Preisanstiege nicht nur auf höheren Kosten basieren, sondern einige Konzerne die Lage bewusst ausgenutzt haben, um durch überhöhte Preise zusätzliche Profite zu generieren“, analysiert die Gewerkschaft zutreffend die aktuelle Situation. Daher gilt, nicht nur im Organisationsbereich der IG Metall: Weiter Druck machen.

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"Weiter Druck machen", UZ vom 14. Oktober 2022



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