Demonstration in Kiel zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution

Weil doch war, was nicht sein darf …

Von Thorsten Lünzmann

Manche schlechte Tradition ändert sich im Kapitalismus wohl nie: Bereits im November 1918 war den damaligen „Kieler Neuesten Nachrichten“ der Beginn der revolutionären Arbeiter-und-Matrosen-Aufstände, welche zum Fanal für die Novemberrevolution in ganz Deutschland wurden, nur eine kurze Mitteilung unter „Ferner liefen…“ auf Seite 3 wert.

Am 3. November 2018, hundert Jahre später, berichtet selbige Zeitung, die heute nur noch als „Kieler Nachrichten“ firmiert, in ihrem Online-Portal nur mit drei Nebensätzen von der Demonstration, die Kiel am vergangenen Samstag an die Ereignisse vor hundert Jahren erinnerte.

Diese Demonstration war für Kieler Verhältnisse keine kleine: Fast 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen unter roten Fahnen und mit lautstarken Parolen durch die Stadt, darunter ein großer SDAJ-und-DKP-Block, der an die revolutionäre Tradition der Aufständischen von damals erinnerte.

Auch im Fernsehen berichtete das „Schleswig-Holstein-Magazin“ des NDR unter „Ferner liefen“ wenige Sekundenbruchteile über die Demonstration, um sich dann ausführlich der Geschichtsklitterung der damaligen Geschehnisse durch den amtierenden SPD-Oberbürgermeister von Kiel zu widmen, wonach die Novemberrevolution der Beginn der bürgerlichen Demokratie gewesen sei.

Kein Wort über die erneute Besetzung des Kieler Rathausbalkons durch die SDAJ, die den Originalwortlaut der damaligen Erklärungen der Revolutionäre in Bezug zur heutigen Realität setzten. Keines über den Redebeitrag des Kieler Genossen Dietrich Lohse, der am Revolutionsdenkmal an die drei Säulen der Macht erinnerte, von denen nur zwei durch die erdrosselte deutsche Revolution gekippt werden konnten. Kein Wort über die Erinnerung des SDAJ-Genossen Florian Hainrich, wie und von wem diese Revolution zerschossen und gemeuchelt wurde und warum daher eine revolutionär-marxistische Partei notwendig wurde und bis heute ist.

So führen die deutschen Medienmonopole, die heute bekanntermaßen mehrheitlich in Händen weniger kapitalistischer Familienclans befindlich sind, die damals blutig erkämpfte Pressefreiheit ad absurdum.

Was bleibt also von diesem Wochenende? Zugegeben, müde Beine, aber auch die Erkenntnis, dass, wie Liebknecht damals zu Recht feststellte, der Hauptfeind bis heute selbstverständlich im eigenen Land steht.

Die Gewissheit, dass, selbst wenn Rosa Luxemburgs „Ich war, ich bin, ich werde sein!“ noch nicht wieder auf der Tagesordnung steht, diese Ordnung nach wie vor auf Sand gebaut ist.

Aber nicht zuletzt die motivierende Erfahrung, dass dieser revolutionäre Jugendverband und diese Kommunistische Partei, bei allen Mängeln, sehr wohl die Solidarität, die Organisationsfähigkeit und die Kraft haben, deutlich wahrnehmbare Zeichen zu setzen. Darauf lässt sich gut aufbauen – Trotz alledem!

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"Weil doch war, was nicht sein darf …", UZ vom 9. November 2018



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