Vor 120 Jahren, am 2. Mai 1901, wurde Karl Willi Friedrich Bredel in Hamburg geboren. Schon als junger Mann war er als Arbeiter und Kommunist mitten in den Klassenkämpfen seiner Zeit aktiv. Bredels ereignisreichen Lebensweg greift eine Anklageschrift des Oberreichsanwaltes vom Oktober 1929 auf: „Der Angeschuldigte hat die Volksschule besucht, als Metalldreher in Hamburg gelernt und als solcher im Inland und Ausland gearbeitet. Seit dem Jahr 1917 hat er dem Spartakusbund angehört. Im Jahr 1921 ist er nach seiner Angabe wegen seiner politischen Parteizugehörigkeit aus Italien, wo er sich damals aufhielt, ausgewiesen worden … Seit dem Jahre 1923 hat sich der Angeschuldigte, wie er selbst angibt, vorwiegend der politischen Schriftstellerei gewidmet, für die er nach seiner Einlassung auf Parteischulen und Parteikursen vorbereitet worden ist. Er will sich übrigens dem Beruf des Schriftstellers seit 1923 nicht ununterbrochen gewidmet haben, sondern von Hamburg aus mit dem Flettnerschiff ‚Barbara‘ als ‚Reparaturdreher‘ gefahren sein.“ Auch eine nachfolgende Tätigkeit als Redakteur für die beiden kommunistischen Parteizeitungen in Hamburg erwähnt die Anklageschrift.
Als Arbeiterschriftsteller und Funktionär der Kommunistischen Partei Deutschlands wurde Bredel in der Weimarer Republik verfolgt und 1933 von den Faschisten ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel geworfen. Über die Monate im Konzentrationslager berichtete er in dem Roman „Die Prüfung“. „Im Konzentrationslager, in Wochen und Monaten der Einzelhaft konzipiert und im Kopf geschrieben, gelangte dies Buch als geistige Konterbande mit hinaus in die Freiheit“, teilte Bredel in einer Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe der „Prüfung“ mit. „Ich habe geschildert, was ich selbst erlebt und gesehen habe. Einiges erfuhr ich von mir gut bekannten und absolut vertrauenswürdigen Mitgefangenen.“ Aus dem Konzentrationslager wurde Bredel 1934 nach 13-monatiger Haft entlassen. Es gelang ihm die Flucht in die Tschechoslowakei, wo dieser Roman als erster literarischer Bericht über die grauenhafte Herrschaft des deutschen Faschismus erscheinen konnte.
„Die Prüfung“ war bereits Bredels vierter Roman. Zuvor hatte der Schriftsteller die Romane „Maschinenfabrik N & K“ und „Die Rosenhofstraße“ in der Serie „Der Rote Eine-Mark-Roman“ des Internationalen Arbeiterverlages veröffentlicht. Der darauf folgende Roman „Der Eigentumsparagraph“ erschien hingegen zunächst nur in der Sowjetunion.
1937/39 nahm Bredel als Kriegskommissar des Thälmann-Bataillons am Freiheitskampf gegen den Faschisten Franco in Spanien teil. Dort entstand die Chronik „Begegnung am Ebro“. 1939 führte Bredels Lebensweg in die Sowjetunion, wo er 1941 Mitbegründer des Nationalkomitees „Freies Deutschland“ wurde. Die letzten Kriegstage auf deutschem Boden und die schwere Zeit des Neuanfangs lässt er in der Trilogie „Ein neues Kapitel“ aufleben, deren einzelne Bände von 1959 bis 1964 erschienen. Es sind in weiten Teilen eigene Erlebnisse, die der Autor in diesen Büchern darstellt.
Eine vorherige Trilogie, die aus den Bänden „Die Väter“ (1941), „Die Söhne“ (1943) und „Die Enkel“ (1953) besteht, ist unter dem Oberbegriff „Verwandte und Bekannte“ bekannt. Darin werden zunächst das gesellschaftliche Leben und der Familienalltag des Hamburger Proletariats bis 1914 geschildert. Es folgen der Weltkrieg und die Novemberrevolution von 1918, die Weimarer Republik und zuletzt die Anfangszeit in der Sowjetischen Besatzungszone.
Zwischenzeitlich schrieb Bredel die Biographie „Ernst Thälmann – Beiträge zu einem politischen Lebensbild“ (1948) und schließlich gemeinsam mit Michael Tschesno-Hell die Szenarien zu den beiden Filmen „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“ und „Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse“. Die Arbeit an den Szenarien war getragen von Bredels persönlicher Verbundenheit mit Thälmann. Die beiden Thälmann-Filme seien „ein Auftrag unserer Regierung, unserem großen Arbeiterführer zu Ehren“ gewesen, berichtete der Schriftsteller später einmal. „Ein Auftrag, gegen den ich mich – offen gesagt – innerlich lange Zeit gesträubt habe. Aber nicht, weil ich nicht über Thälmann schreiben wollte (ich hatte ja bereits über ihn geschrieben), sondern weil mir der Film, diese Gattung Literatur, wenn man sie eine nennen will, fremd war, weil ich gewisse innere Hemmungen hatte.“
Aufträge von offizieller Seite seien für einen Schriftsteller durchaus wichtig, stellte Bredel in diesem Zusammenhang fest. Es entbinde ihn aber nicht davon, sich selbst Aufträge zu erteilen. Auf dem Schriftstellerkongress im Mai 1952 forderte Bredel junge Kollegen auf, sich nicht nur auf ihr Talent zu verlassen. „Ich habe den Eindruck, dass es vielen unserer jüngeren Kollegen an literarischem und allgemeinem Wissen fehlt. Das ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass die meisten von ihnen die Schule zur Zeit der faschistischen Diktatur besucht haben, wo marschieren wichtiger war als lernen.“ Bredel empfahl, den Marxismus-Leninismus zu studieren, die deutschen Klassiker zu lesen, die Werke der großen Dichter aller Völker, die Romane der kritischen Realisten Russlands und die Werke der Sowjetschriftsteller. Ebenfalls seien die Kunst- und Literaturgeschichte, die Geschichte der Völker und neueste wissenschaftliche Entdeckungen kennen zu lernen.
Doch Bredel war nicht nur Schriftsteller. Unter anderem war er 1945 Mitbegründer des Landes-Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, von 1947 bis 1949 Abgeordneter des Mecklenburgischen Landtages und von 1948 bis 1950 Abgeordneter der Volkskammer der DDR. Er arbeitete als Chefredakteur der Literaturzeitschriften „Heute und Morgen“ und „Neue Deutsche Literatur“. Von 1962 bis 1964 war er Präsident der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin und von 1954 bis 1964 Mitglied des Zentralkomitees der SED.
Kurz vor Bredels Tod am 27. Oktober 1964 fand in Potsdam die Jahrestagung des Deutschen PEN-Zentrums statt. Schriftstellerkollege Max Zimmering erinnert sich: „Auch Willi Bredel ist da … Bredel erzählt von seiner Skandinavienreise, von schriftstellerischen Projekten, von seinen Bemühungen, sich von einer Funktion, die ihn auffrisst, loszueisen, um schreiben zu können … Für mich wie für manchen anderen unter den Anwesenden ist es die letzte Begegnung mit Willi Bredel, mit seinem Gesicht voller Güte und Strenge, voller Neugier und Weisheit, voller Lachen und Ernst, voller Jungenhaftigkeit und Würde …“
Wie Walter Ulbricht in seinem Geleitwort zum Tode Willi Bredels mitteilt, arbeitete der Schriftsteller noch am Abend vor seinem Tod an der Konzeption seiner Biographie. Als Arbeitstitel habe Bredel „Am Ende meiner Tage“ gewählt. Das fertige Buch sollte dann aber den Titel „Wege der Prüfung“ tragen. Denn, wie Bredel betonte, „das Menschenleben ist ein Weg unausgesetzter Prüfungen“.
Die meisten Bücher von Willi Bredel sind nur noch antiquarisch zu bekommen, auch im UZ-Shop finden sich einige Romane. Weitere Information finden sich auf der Website der Willi-Bredel-Gesellschaft/Geschichtswerkstatt e. V. Hamburg.
uzshop.de
bredelgesellschaft.de