Wer kennt ihn nicht, den Marvel-Superhelden „Black Panther“, König von Wakanda? Spätestens seit der Verfilmung mit Chadwick Boseman ist der schwarze Held auch den Menschen ein Begriff, die sich nicht für das Kulturgut Comic interessieren. Darüber hinaus ist wenig bekannt über die emanzipatorische Kraft des Comics, aber auch über rassistische Entgleisungen des Mediums, das natürlich auch den Zeitgeist widerspiegelt.
In Dortmund beschäftigt sich eine Ausstellung mit dem Thema „Black Comics – Vom Kolonialismus zum Black Panther“ und zeigt auf kleinem Raum Beispiele aus der bewegten Geschichte des Comics, zeigt die Entwicklung von Figuren von kolonialistischen, rassistischen Stereotypen bis zu identitätsstiftenden Helden.
Kurator Alexander Braun hat zu der Ausstellung einen Katalog herausgegeben, der es in sich hat. Der über 400 Seiten starke Band erinnert wenig an einen klassischen Ausstellungskatalog – es gibt weder ein Inhaltsverzeichnis noch einen Quellenteil, ein einziger langer Text zieht sich über den unteren Teil der Seiten. Und auch der Titel „Black Comics“ deutet nicht auf die Fülle der Themen, die im Band angesprochen werden. Brauns Band bietet eine wilde Reise durch verschiedene Darstellungen von Rassismus, setzt sich nebenher auch mit deutschen Kinderbüchern auseinander und widmet sich der emanzipatorischen Kraft des Comics.
Das Buch beginnt mit erschütternden Fotografien aus dem Kongo, in dem Belgien als Kolonialmacht gewütet hat. Ein Mann sitzt, starr vor Trauer und Grauen, auf einer Veranda vor auf den ersten Blick nicht genau zu erkennenden Objekten – es sind Hand und Fuß seiner Tochter. Die Schergen der Kolonialherren hatten sie abgeschlachtet. Weitere Bilder zeigen von den Belgiern verstümmelte Kongolesen.
Wer von Rassismus und Kolonialismus reden möchte, kommt um „Tim und Struppi“ nicht herum. Als Erziehungscomic geplant, ging es direkt im ersten Abenteuer in die Sowjetunion, auf dass die jugendlichen Leserinnen und Leser bloß keine falschen Ideen bekommen. Das Leben in der Sowjetunion wurde als voller Unglück und Entbehrungen dargestellt. Kann man über diese Art von platter Propaganda fast noch lachen, so bleibt einem das Lachen bei Tims nächster Reise in den Kongo im Halse stecken. „Tintin“, wie Tim im Original heißt, ist die Comic gewordene Form des Narrativs vom überlegenen Weißen, der endlich die Zivilisation nach Afrika bringt, technische und moralische Überlegenheit inklusive. Folgerichtig nimmt „Tintin“ sich auch ein kongolesischen Kind als „Boy“, der ihm als Handlanger dient.
Braun widmet sich in „Black Comics“ auch der Problematik Disneys – um die rassistischen Verfehlungen des Konzerns aufzuzählen reicht der Platz hier bei weitem nicht. Ich wusste vor dem Lesen des Bandes nicht, dass es eine Disney-Version von „Onkel Toms Hütte“ gibt, in den Hauptrollen: Mickey, eine Maus, und Clarabella, eine Kuh. Betreiben sie Blackfacing, weil sie sich (als Tiere) die Gesichter schwarz schminken? Oder ist das ein Kommentar zu der widerwärtigen Praxis, weißen Schauspielern das Gesicht anzumalen, statt schwarze Schauspieler für die Rolle zu engagieren?
Am Beispiel eines beliebten deutschen Kinderbuches widmet sich Braun den Schwierigkeiten, die ein nachträgliches Bearbeiten von Texten und Bildern mit sich bringt. Sicherlich gibt es keinen Widerspruch dagegen, dass der Vater von Pippi Langstrumpf heute ein Südseekönig ist. Wobei die Problematik hier dem Werk immanent ist – warum soll der Schwede Langstrumpf denn überhaupt da König sein? Braun widmet sich den Büchern über Jim Knopf von Michael Ende. Hier hat der Thienemann-Verlag Änderungen vorgenommen, das N-Wort verschwinden lassen und die bildliche Darstellung von Jim Knopf angepasst. Damit hat der Verlag dem Antirassismus einen Bärendienst erwiesen. Das N-Wort ist im Originaltext den Arschlöchern vorbehalten, Kinder können beim Lesen lernen, dass nur Idioten Menschen mit schwarzer Hautfarbe solche (?) Namen geben. Und aus dem breit grinsenden, vor Selbstbewusstsein strotzenden Jungen mit der Pfeife im Mund wurde auf den Buchcovern ein leicht lächelndes niedliches Kind mit deutlich hellerer Haut als in den alten Darstellungen. Gefälligkeit statt freches Selbstbewusstsein ziert nun die Titel der wunderbaren Kinderbücher.
Im weiteren Verlauf widmet sich „Black Comics“ dann emanzipatorischen Bildgeschichten. Hervorzuheben ist dabei „Youth in the Ghetto“, ein Educational-Comic, herausgegeben von der „Harlem Youth Opportunities Unlimited“, über die Ursachen der schlechten Lebensbedingungen in Harlem. Die wenigen erhaltenen Exemplare gelten heute als eine der großen Raritäten der Comic-Welt – daher ist in „Black Comics“ das gesamte Heft abgedruckt.
Braun streift viele weitere Themen, von der Entdeckung der Schwarzen in den USA als Konsumenten, mit Neuauflagen bekannter Comics mit dann schwarzen Hauptfiguren über die 24 Stunden, die Supermans Freundin Lois Lane als Schwarze verbringt, zu schwarzen Versionen bekannter Superhelden.
Schade ist, dass er nicht mehr Platz der Arbeit von Emory Douglas widmet, dem Kulturminister der Black Panthers. Die Arbeiten des Grafikers für die Cover der wöchentlich erschienenen Parteizeitung „The Black Panther“ und die von ihm entworfenen Plakate setzten Maßstäbe in der schwarzen politischen Kunst, zeigte er doch keine hilflosen Opfer, sondern Menschen,die für ihre Sache kämpfen.
Der Band schließt seinen Erzählkreis mit einem Blick auf zeitgenössische afrikanische Comics und vor allem auf den Kongo. Hier erscheint eine Mehrzahl der Comics auf dem Kontinent. Auch das ist Teil des kolonialen Erbes, Belgien gilt schließlich als ein legendäres Comic-Land.
Ein Besuch der Ausstellung in Dortmund mit den ungefähr 100 Originalwerken lohnt sich auch für Menschen, die keine Comic-Leser sind. Der begleitende Band von Alexander Braun ist eher was für Interessierte. Zumal man sich erst mal durch Brauns eher simplifizierenden und moralisierenden Blick auf den Krieg in der Ukraine quälen muss, bevor der Autor auf das eigentliche Thema kommt. Für diejenigen, die sich für den Zusammenhang von Kultur, Kolonialismus und Rassismus gerade mit Blick auf die bildliche Darstellung interessieren, ist der Band trotzdem eine Fundgrube zum Schmökern und weiterrecherchieren.
Black Comics
Vom Kolonialismus zum Black Panther
Ausstellung
Schauraum comic + cartoon
Max-von-der-Grün-Platz 7, Dortmund
Noch bis 27. April, Eintritt frei
Alexander Braun
Black Comics
Katalog zur Ausstellung
416 Seiten, 49 Euro