Weg mit dem Sozialklimbim

Manfred Dietenberger zur Rentendebatte in Neu-Jamaika

Manfred Dietenberger

Manfred Dietenberger

Der Klassencharakter des Staates als ideeller Gesamtkapitalist kommt unter der künftigen buntscheckigen Regierungskoalition nun klarer zum Vorschein. Diese Vierer-Bande des Kapitals steht bereit, den noch vorhandenen, der weiteren Profitmaximierung aber im Wege stehenden „Sozialklimbim“, abzuräumen.

Dazu gehört auch seit 2014 die von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles mit dem Slogan „Nicht geschenkt, sondern verdient“ angepriesene Rente mit 63. Dafür erntete sie das dicke Lob der Gewerkschaften. Jetzt, drei Jahre später, sollen sich Union, FDP und darauf verständigt haben, die Rente mit 63 teilweise wieder abzuschaffen. Auf diese Meldungen folgten heftige Dementis etwa der Art überzeugend wie das von Alexander Dobrindt. Der sagte, es sei „erkennbar nichts aufgeschrieben worden“, daher gebe es „schon wieder“ eigene Interpretationen.

Aber Jens Spahn (CDU) hatte davor frech und medienwirksam unter dem Beifall-Geheule der Unternehmer die Abschaffung der Rente mit 63 ohne Abschläge bei 45 Beitragsjahren verlangt. Die aber bedeutet eine – wenn auch viel zu geringe – Entlastung für die immer stärker unter körperlichem physischem Druck stehenden arbeitenden Menschen. Fakt ist doch, nicht nur die viel zitierten Maurer und Dachdecker sind kaum mehr in der Lage, bis zum regulären Renteneintrittsalter mit 67 zu arbeiten. Eins ist klar: Sozialer wird es für die arbeitenden Menschen unter Schwarz-Gelb-Grün auf jeden Fall nicht. Um das zu ahnen, muss man kein Spökenkieker sein.

Da reicht ein Blick auf Jamaika in Schleswig-Holstein. Kaum an der Regierung beschloss die Kieler Koalition, den von der Vorgängerregierung eingeführten Landesmindestlohn von 9,18 Euro bis zum Jahr 2019 einzufrieren und wieder auf den gesetzlichen zurückzufahren. Schon im Koalitionsvertrag versprachen sich die Koalitionäre, gemeinsam darauf hinzuwirken, die Dokumentationspflichten zum Mindestlohn „angemessen zu reduzieren“. Bei der Absichtserklärung blieb es nicht, ein von Schleswig-Holstein eingereichter Gesetzesantrag liegt jetzt schon beim Bundesrat.

Es ist an der Zeit, dass die Gewerkschaften sich im Interesse der arbeitenden Menschen von der Kungelei mit den Regierenden verabschieden und nicht länger versuchen, sich ihnen als Bittsteller anzubiedern, sondern endlich zur ihrer ureigensten Rolle als Gegenmacht zu Kapital und Regierung zurückkehren.

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"Weg mit dem Sozialklimbim", UZ vom 10. November 2017



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