Waschen reicht nicht

Werner Sarbok zur Agenda-Kritik von Martin Schulz

Ich bitte um Nachsicht, wenn mir bei der Ankündigung des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Martin Schulz, soziale Ungerechtigkeiten und plötzlich erkannte und benannte Fehler der Hartz-Gesetzgebungen zu beseitigen, sofort ein Arbeiterlied aus der Weimarer Republik einfiel. In dem Lied wurde der damalige Wahlkampf der SPD beschrieben, es heißt darin: „Wir schlagen Schaum, wir seifen ein, wir waschen unsere Hände wieder rein.“

Schulz räumt ein – und das ist durchaus bemerkenswert – dass die Hände der Sozialdemokratie beschmutzt sind, ihr Werk des Sozialabbaus der letzten Jahre/Jahrzehnte war nicht sauber, zumindest aus der Perspektive der arbeitenden Menschen betrachtet.

Berücksichtigt man jedoch Reaktionen aus dem Lager des Kapitals, könnte mir dieser Mensch doch tatsächlich etwas sympathischer werden. Wolfgang Clement, Ex-Sozialdemokrat und heute Kuratoriumsvorsitzender der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ schäumt im Handelsblatt, dass sich die SPD nun mit Schulz wieder auf den „Vor-Schröder-Trip“ begeben. Und kritisiert, das „ganze Programm, das die SPD natürlich auch schon vor Sigmar Gabriel kannte, von dem sich Schulz aber in einem unterschied: Er nannte keinen einzigen Lösungsansatz für all das, was er durch die Bank als ‚nicht gerecht’ charakterisierte.“

Es ist spannend, wenn wir erleben, dass diese SPD die Agenda 2010 wieder auf die Tagesordnung setzt. Selbstverständlich hat die SPD das Thema aus wahltaktischen Gründen herausgeholt und wird es auf ominöse Ungerechtigkeiten reduzieren. Denn diese lenken vom Wesen dieser Agenda ab, die Lohnkosten im Interesse des Kapitals zu senken und die Gewerkschaften zu schwächen.

Bei Hartz IV geht es nicht um Kosmetik. Es geht darum, diesen gesamten komplexen Generalangriff des deutschen Kapitals auf die Interessen der arbeitenden Menschen zurückzudrängen. Daher wird der Ansatz von Schulz nicht ausreichen. Aber die Chance, das Thema Agenda 2010 und damit die sozialen Fragen stärker in die tagespolitischen Debatten einzubringen, sollten wir nutzen – es ist an der Zeit.

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"Waschen reicht nicht", UZ vom 24. Februar 2017



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