Aus einem Interview mit dem Faschismusforscher Kurt Gossweiler

Was zu tun ist

Die Hauptgefahr des Faschismus geht heute wie früher von der imperialistischen Bourgeoisie aus. Die faschistischen Bewegungen sind keine selbstständige Kraft, sie werden von den Herrschenden an der kurzen Leine gehalten, wenn sie ihrer in der Regierung nicht bedürfen; ihr Wachstum zu regierungsfähiger Größe wird aber dann gefördert – durch politische und wirtschaftspolitische Maßnahmen und durch „Spenden“ –, wenn dies als zweckmäßig erscheint, um den gewünschten Sozial- und Demokratieabbau forciert voranzubringen oder außenpolitischen Expansionen eine stärkere innere Unterstützung zu sichern. Im Übrigen aber sollten wir nicht erwarten, dass der Übergang zum Faschismus, sollte er irgendwo vollzogen werden, sich als Wiederholung von bereits Bekanntem abspielt. Die imperialistische Bourgeoisie verfügt heute über ein ungleich größeres Reservoir von Mitteln sowohl der Manipulierung der Massen als auch der Überwachung jedes Bürgers, als zu Zeiten Mussolinis und Hitlers. Orwell, erlebte er die heutigen Möglichkeiten der Oberen zur Überwachung der Untertanen, zum Beispiel die Einführung der elektronischen Überwachung der Bürger auf den Straßen und Plätzen unserer Städte, müsste wohl feststellen, dass die Wirklichkeit seine Vorausschau des Überwachungsstaates in seinem Buch „1984“ schon weit übertroffen hat.

Aber trotz aller Veränderungen, die ein neuer Faschismus des 21. Jahrhunderts gegenüber dem des 20.Jahrhunderts aufweisen würde – auch er würde ohne den Terror, die offene, brutale Gewalt gegen alle seine Gegner nicht auskommen. (…)
Was ist zu tun, um die Möglichkeit eines neuen Faschismus nicht zur Wirklichkeit werden zu lassen?

Erstens: Wir müssen unsere Kraft und unseren Einfluss dafür einsetzen, dass jeder Angriff der Herrschenden auf die in langen Jahrzehnten errungenen demokratischen und sozialen Rechte auf eine möglichst breite und möglichst entschlossene Abwehr stößt.

Zweitens: Wir müssen immer wieder daran erinnern, was die Faschisten über ihr Volk und die ganze Menschheit gebracht haben. Die faschistischen Verbrechen dürfen nicht vergessen und nicht vergeben werden!

Drittens: Wir dürfen nicht müde werden, darüber aufzuklären, wessen Instrument der Faschismus war und nach wie vor ist.

Viertens: Wir müssen unermüdlich Klarheit darüber verbreiten, dass Antikommunismus Begünstigung des Faschismus bedeutet.

Fünftens: Wir müssen die Wahrheit zur Massenerkenntnis machen, dass, solange der Imperialismus herrscht, auch die Gefahr des Faschismus bestehen bleibt. Nur der Sozialismus kann der Menschheit eine Welt ohne Kriege und ohne Faschismus bringen.

(Das Gespräch mit dem Faschismusforscher Kurt Gossweiler wurde im April 2000 in Berlin von Gertrud Bongaerts, damalige Mitarbeiterin der Internationalen Abteilung der Partei der Arbeit Belgiens, geführt. Es kann nachgelesen werden unter: kurt-gossweiler.de/faschismus-und-antifaschistischer-kampf-gestern-und-heute/)

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"Was zu tun ist", UZ vom 4. Dezember 2020



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