Darf der bayerische Inlandsgeheimdienst persönliche Daten an Arbeitgeber, Vermieter oder den Sportverein weitergeben? Mit dieser Frage wird sich das Bundesverfassungsgericht in Kürze zu beschäftigen haben. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Aktivisten verschiedener Klimaschutzorganisationen haben jetzt Verfassungsbeschwerde gegen Regelungen im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) eingereicht.
Seit Sommer 2023 dürfen bayerische Verfassungsschützer personenbezogene Informationen an private Stellen weitergeben, sofern dies „erforderlich ist zur Verhütung oder Beseitigung sonstiger erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen des Empfängers“. Die gummiweiche Regelung, die an Konturlosigkeit nicht mehr zu überbieten ist, ermöglicht Denunziation, berufliche und soziale Ausgrenzung. „Nicht nur, dass der Verfassungsschutz Menschen umfassend überwachen kann. Durch die neue Regelung darf der Inlandsgeheimdienst die gesammelten Daten ohne Kenntnis der Betroffenen an das gesamte private und berufliche Umfeld weitergeben (…) – ohne dass sie von der Intervention des Geheimdienstes erfahren und sich dagegen wehren können“, kritisiert der GFF-Verfahrenskoordinator David Werdermann.
Die letzte Verfassungsbeschwerde der GFF gegen die Informationsweitergabe aus Datenbeständen der Vorratsdatenspeicherung zwischen Polizei und Verfassungsschutz hatte im April 2022 Erfolg. Unabhängig von diesem Verfahren meldete der Bayerische Journalisten-Verband am 9. August die Einleitung eines weiteren Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Anfragen bei der Generalstaatsanwaltschaft München hatten unlängst ergeben, dass im Juli 2023 elf Journalisten und im März 2024 weitere 160 Journalisten aus dem gesamten Bundesgebiet von Abhörmaßnahmen der bayerischen Polizei betroffen waren. Es ging um abgehörte Telefonanschlüsse der Geschäftsstelle der „Letzten Generation“. Angeordnet wurde die Lauschaktion durch das Amtsgericht München im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren gegen die Klimaaktivisten.
Auch in Berlin gibt es zum Thema Überwachung kein Halten mehr. Böswilligen Gerüchten zufolge soll im Bundesinnenministerium eine Urlaubssperre verhängt worden sein, um die Ferienzeit für weitere neue Gesetze zum Ausbau des Strafverfolgungsapparates zu nutzen. Seit vergangener Woche liegt aus dem Hause Faeser ein neuer 66-seitiger Referentenentwurf vor. Inhalt: Erleichterung der durch künstliche Intelligenz gestützten biometrischen Fahndung und ein Update zum hürdenlosen Datenaustausch mit anderen EU-Staaten. Faeser bläst zum Halali im Internet und auf den Plattformen der sozialen Medien: Polizeifahnder sollen künftig Verdächtige, aber auch vermeintliche oder tatsächliche Zeugen von Straftaten durch Gesichtserkennungssoftware identifizieren können.
Nicht nur ums Identifizieren geht es. Was bisher nur über Funkzellenüberwachung von ins Netz eingeloggten Handys möglich war, nämlich Bewegungsprofile zu erstellen, wird nun auch als Abgleich von polizeilich zugänglichen Fotodaten verwirklicht werden. Die Zeiten, als die Polizei biometrische Daten nur der behördlichen Inpol-Foto-Datenbank entnehmen konnte, sollen vorbei sein. Jegliches Bildmaterial von Kameras im öffentlichen Raum, aber auch auf Facebook, Instagram und Youtube wird zur unermesslichen Datenquelle.