Knapp eine Stunde nahmen sich die Spitzenkandidaten der Linkspartei, Janine Wissler und Dietmar Bartsch, am Montag Zeit, um der Hauptstadtpresse ein neues Sofortprogramm vorzustellen. Zeit, den Parteivorstand in die Erarbeitung des Koalitionsangebotes an SPD und Grüne einzubeziehen, hatten sie nicht. Und während im Wahlprogramm noch die Auflösung der NATO beziehungsweise mindestens der Entzug des Oberkommandos der NATO über die Bundeswehr gefordert wird, tauchen die vier Buchstaben im Sofortprogramm nicht auf. Auch für das Kürzel EU war kein Platz.
Obwohl im Sofortprogramm neben den Regierungsforderungen zuerst langfristige Ziele aufgezählt werden, findet sich auch einleitend kein Wort über das größte Kriegsbündnis. Bartsch, genervt von den vielen Nachfragen, führte auf der Pressekonferenz aus: „Was ist die NATO, was soll die NATO, wohin soll sie sich entwickeln? Wegen meiner soll sie überwunden werden, dahin, wo wir es gerne hätten: ein System der kollektiven Sicherheit unter Einschließung Russlands.“
Im Sofortprogramm wird in der Außenpolitik ein „progressiver Multilateralismus“ gefordert – so ähnlich hat auch Sigmar Gabriel schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen. In der Friedensfrage wollen die „Linken“ weniger Waffenexporte beziehungsweise keine in „Krisengebiete“ und Auslandseinsätze „überprüfen“. Auch sonst erinnert das Sofortprogramm sehr an die bisherigen Aussagen von SPD und Grünen: Ein bisschen Reform des Hartz-IV-Sanktionsregimes und viel „Zukunft“, zum Beispiel durch etwas höhere Renten. Eine Stimme gegen Hartz-IV und Krieg in aller Welt ist da nicht gut aufgehoben.
Obwohl es bereits zweimal eine rechnerische Mehrheit für Rot-Rot-Grün im Bund gab, scheint die diesjährige Regierungsoption ein Erweckungserlebnis für linke Realpolitik zu sein. „Was bliebe der Linkspartei anderes übrig?“ könnte einwenden, wer sich mehr für Parteikonstellationen als für Regierungspolitik interessiert. Die andere mögliche Option für eine Regierung ohne Union wäre das Rot-Grün-Bündnis mit der FDP. Sollte nur ein Funke wahr sein an den Illusionen in die Sozialdemokratie, so könnten die Linkssozialdemokraten über eine von ihr gestützte rot-grüne Minderheitsregierung nachdenken. Doch damit gäbe es keine Posten in diesem Staat.