„Den Frieden gewinnen – nicht den Krieg“ – unter diesem Motto fand am vergangenen Wochenende unter anderem mit Heinz Bierbaum, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Wolfgang Däubler, Erstunterzeichner des Aufrufs „Mehr Demokratie wagen“, Michael Müller, Bundesvorsitzender Naturfreunde, Willi van Ooyen, Friedens- und Zukunftswerkstatt, sowie Janine Wissler, Parteivorsitzende „Die Linke“, eine prominent besetzte gewerkschaftliche Friedenskonferenz in Hanau statt. Als internationale Gäste waren Valentina Orazzini von der italienischen Metallarbeitergewerkschaft FIOM/CGIL und der ehemalige Vorsitzende der britischen Labour-Party Jeremy Corbyn vor Ort. Rund 250 Gäste drängten sich im eigens dafür aufgeschlagenen und gut gefüllten Zelt vor dem Hanauer Gewerkschaftshaus. Weitere 200 Menschen verfolgten den Live-Stream. Eingeladen hatten die Geschäftsstelle der IG Metall Hanau-Fulda und die Rosa-Luxemburg-Stiftung.
„Aus der Geschichte wissen wir, Kriege drängen Gewerkschaften in Widerspruchskonstellationen. Die deutschen Gewerkschaften stehen wieder einmal vor der Herausforderung, im Spannungsverhältnis von betrieblicher und institutioneller Interessenvertretung einerseits und sozialer Bewegung andererseits ihre unverzichtbare Rolle als Friedensorganisation auszufüllen“ – diese Zeilen stammen aus dem Einladungstext der Veranstalter. Neben der Diskussion über aktuelle friedenspolitische Herausforderungen sollte mit dieser Veranstaltung – angesichts von sich verändernden friedenspolitischen Positionen in den Gewerkschaften – nicht zuletzt ein Beitrag zur innergewerkschaftlichen Diskussion geleistet und so Einfluss auf deren Positionierung genommen werden.
In den Redebeiträgen wurde schnell deutlich, dass eine klare Beschlusslage nicht gleichbedeutend mit einem entsprechenden politischen Bewusstsein unter den Kolleginnen und Kollegen ist, geschweige denn eine breite Mobilisierung gegen Aufrüstung und Krieg zur Folge hat. Dies wäre jedoch angesichts der galoppierenden Inflation und der fortschreitenden Umverteilung im Windschatten des Krieges von unten nach oben dringend geboten. Reallohnrückgänge um durchschnittlich 4 Prozent zeigen, vor welchen Schwierigkeiten Tarifpolitik in Kriegs- und Krisenzeiten steht.
Vor diesem Hintergrund wurde mit großer Spannung die Diskussionsrunde am frühen Freitagabend erwartet. Sie widmete sich der Frage: „Welche Rolle können Gewerkschaften in der Friedensbewegung spielen?“ Leider war die Debatte geprägt von der Beschreibung aktueller Probleme und dem Blick zurück in die Zeit, als pazifistische und antimilitaristische Positionen sehr viel breiter in der Gesellschaft und in den Gewerkschaften verankert waren. Hinweise auf strategische Konsequenzen und Praxisbeispiele von gelebtem Widerstand waren hingegen rar. Zu den wenigen positiven Gegenbeispielen gehören die Aktivitäten in Hanau während der Tarifrunden in der Metall- und Elektroindustrie und im öffentlichen Dienst. Hier demonstrierten die Kolleginnen und Kollegen eindrucksvoll, wie man tarifliche Arbeitskämpfe mit friedenspolitischen Forderungen verbinden kann. „Statt Durchhalteparolen und Energiespartipps: Frieden und mehr soziale Gerechtigkeit. Hoch mit den Löhnen und runter mit den Preisen. Den Ukraine-Krieg sofort beenden. Waffenstillstand jetzt“, war die Parole bei Streikkundgebungen im Herbst und Frühjahr in der Brüder-Grimm-Stadt. Über tausend Menschen waren dem Warnstreikaufruf der IG Metall gefolgt und verwandelten – gemeinsam mit den Partnern des „Bündnisses für Frieden und soziale Gerechtigkeit“ – den Platz vor dem Gewerkschaftshaus in ein Meer roter Fahnen. Neben den Fahnen der streikenden Metaller waren auch zahlreiche Banner von ver.di zu sehen. Die Dienstleistungsgewerkschaft hatte Beschäftigte des öffentlichen Dienstes aufgerufen, sich im Rahmen von „aktiven Mittagspausen“ den Protesten anzuschließen. Im März war es dann umgekehrt: ver.di rief zu Warnstreiks auf und die Metaller unterstützten ihre Kolleginnen und Kollegen durch aktive Mittagspausen.
Die klare Positionierung in der Friedensfrage in Hanau, die es in beiden Tarifrunden gab, war in den Augen der Streikenden von zentraler Bedeutung für den Mobilisierungserfolg. Voraussetzung dafür ist die Erkenntnis, dass Frieden in der Ukraine nur unter Berücksichtigung der Interessen aller Kriegsparteien möglich ist. Gefordert wurde unter anderem, die weitere Aufrüstung der Bundeswehr zu stoppen und das 100-Milliarden-Aufrüstungspaket in ein Investitionsprogramm für Jugend, Soziales, Umwelt, Gesundheit und Bildung umzuwidmen.
In einem ersten Fazit hielten die Veranstalter fest: „Die Konferenz hat Mut gemacht, weil der Teil der anwesenden gesellschaftlichen Linken in Deutschland und Europa gezeigt hat, dass es möglich ist, konkret und entlang von Sachthemen gemeinsame Vorstellungen für eine gerechtere und friedlichere Welt zu formulieren.“
Olaf Harms, Mitglied des Parteivorstands der DKP und Vorsitzender des Landesbezirksvorstands von ver.di Hamburg, schildert seine Eindrücke von der Konferenz im UZ-Interview. Einen Auszug aus der Eröffnungsrede von Robert Weißenbrunner, 1. Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Hanau-Fulda, haben wir hier dokumentiert.