Was eigentlich erzählt wird

Herbert Becker zum Tatort aus Stuttgart

Ein „Tatort“ löst heftige Debatten aus. „Der rote Schatten“: 9,27 Millionen Zuschauer sahen die Tatort-Folge am letzten Sonntag. Schon vor der Ausstrahlung schrieben TV-Zeitschriften von „starkem Tobak“, die Blöd-Zeitung regte sich auf, andere Blätter warnten davor, den „Verschwörungstheorien“ der Drehbuch-Autoren und des Regisseurs Dominik Graf zu folgen. Graf nahm sich die Bilder, die allbekannt die 1970er-Jahre illustrieren, die Auseinandersetzung zwischen Staat und RAF, um sie schneller zu schneiden, sondern damit die Frage gestellt werden kann, was uns an diesen Bildern interessiert, heute noch, was sie eigentlich erzählen. Nach der Ausstrahlung formulierte Stefan Aust – er schrieb vor vielen Jahren einen Bestseller zur RAF – eine harsche Kritik, der Film betreibe Propaganda. Ist dummes Geschwätz, denn wer Propaganda produziert, will die eindeutige Deutungshoheit. Doch Dominik Graf diskutiert und zeigt mehrere Thesen und entscheidet sich nicht konkret für eine.

Zur Todesnacht zu Stammheim liegen längst nicht alle Fakten auf dem Tisch, wie auch Aust einräumt. Noch immer würden Akten dazu geheim gehalten, Aussagen verweigert oder sogar verboten. Idealer Nährboden für Fiktionen wie jene von Dominik Graf, denn noch einmal deutlich: Es handelt sich um einen Spielfilm, keine Dokumentation. Dass Graf sich der filmischen Mittel bedient, die Mordthese durch eine geheime Truppe in schockierender Inszenierung darzustellen, ist ein legitimes Vorgehen. Bilder statt Beweise, woher sollen die auch kommen? Die Nacht von Stammheim: Die Wahrheitssuche, wenn schon gewollt, darf nicht mit so billigen Vorwürfen abgetan werden.

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"Was eigentlich erzählt wird", UZ vom 20. Oktober 2017



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