Politiker lügen, Medien hetzen, die Propagandamaschine läuft. Während manche Ereignisse jahrelang hochgekocht werden, sollen andere in Vergessenheit geraten. Einmal im Monat schauen wir an dieser Stelle zurück, lesen alte Nachrichten erneut und prüfen, was daraus geworden ist.
Am 25. April 2022 war die Welt noch in Ordnung, zumindest was das Verhältnis der deutschen Medien zur schwedischen Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg betraf. „Ohne Greta Thunberg hätten wir heute wahrscheinlich keine Ampelkoalition“, frohlockte der „Spiegel“. Schönen Dank auch, Greta! Das Blatt hatte den Rechtswissenschaftler Thomas Klie zum Interview geladen, damit sich dieser ein bisschen über die Rolle von „charismatischen Persönlichkeiten“ in der Geschichte, die sich „ganz und gar einer Sache verschreiben“, freuen konnte.
Drei Jahre später sieht die Sache anders aus: Thunberg ist zur Greta non grata geworden, seit sie Israels Völkermord in Gaza beim Namen nennt und sich solidarisch mit der palästinensischen Bevölkerung zeigt. Im vergangenen Oktober verbot die Polizei Dortmund sogar ein propalästinensisches Camp, weil mit Thunberg eine „gewaltbereite Teilnehmerin“ angekündigt worden sei. Macht schlägt Charisma, oder: In Deutschland darf man gerne für alles demonstrieren, solange es zur herrschenden Agenda passt.
Aber diese Agenda ist auch für eingeweihte Anpassungswillige nicht immer leicht zu verfolgen. Schon im Jahr 2022 musste man sich ziemlich anstrengen, um beispielsweise mit den kreativen Gedankengängen von Außenministerin Annalena Baerbock (Danke, Greta!) Schritt zu halten. Ihren „Krieg gegen Russland“ sollte Baerbock erst einige Monate später im Europarat erklären, doch den Krieg gegen die Logik hatte sie zu diesem Zeitpunkt schon fast gewonnen. Am 25. April wies die russische Regierung 40 deutsche Diplomaten aus – eine Reaktion auf die zuvor erfolgte Ausweisung von 40 russischen Diplomaten durch die deutsche Regierung. Während das russische Außenministerium nachvollziehbar von einer „symmetrischen Antwort“ sprach, war Baerbock empört. Die Ausweisung sei „in keiner Weise gerechtfertigt“, ließ sie verlauten. Denn schließlich gebe es erhebliche Unterschiede zwischen deutschen und russischen Diplomaten, die hauptsächlich darin bestanden, dass die einen deutsch und die anderen russisch waren.
Die russischen Repräsentanten, so Baerbock, hätten „jahrelang und systematisch gegen unsere Freiheit und gegen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gewirkt“. Während sich die bundesrepublikanischen Gesandten „überhaupt nichts zuschulden kommen lassen“ haben. Und weil die so einen tollen, diplomatischen Job gemacht hatten, schädige sich Russland mit der Ausweisung „weiter selbst“. Inzwischen wissen wir, dass Russland den Schaden einigermaßen verkraftet hat – jedenfalls besser als wir Baerbock verkraftet haben. Schlimm ist nur die Gewöhnung. Was im Jahr 2022 noch als neue, absurde Form der Kriegspropaganda erschien, ist heute Alltag in der Politik- und Medienblase.
Andere Töne sind hingegen deutlich leiser geworden. Die Union schimpft Christian Lindner (Danke, Greta!) nicht mehr „Schuldenkönig“, wie sie es vor drei Jahren noch tat, weil der Finanzminister eine Neuverschuldung von (heute lächerlichen) 138,9 Milliarden Euro angekündigt hatte. Auch die zu dieser Zeit omnipräsenten Durchhalteparolen sind fast verschwunden. So verkündete der damalige US-Kriegsminister Lloyd Austin am 25. April 2022 noch, dass die Ukraine den Krieg gewinnen könne: „Der erste Schritt zum Sieg ist der Glaube daran, dass man gewinnen kann.“ Aus eben diesem Grund hatte der Westen erst zwei Wochen zuvor ein Abkommen zwischen der Ukraine und Russland verhindert. Der damalige britische Premierminister Boris Johnson war am 9. April nach Kiew gefahren, als die Grundzüge eines möglichen Friedensvertrages mit der Zusicherung von ukrainischer Neutralität und dem Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft auf dem Tisch lagen. Johnsons Ansage bei diesem Besuch fasste der ukrainische Verhandlungsführer Dawid Arachamija später so zusammen: „Wir werden mit ihnen (den Russen) nichts unterschreiben. Lasst uns einfach kämpfen.“ Zehntausende tote ukrainische Soldaten später ist der Optimismus merklich gedämpft. Es muss ja auch eine Sache geben, an der Greta Thunberg nicht schuld ist.