Eiertanz und frohe Mär. Die Lage am 21. Februar 2024

Was bisher geschah

Kolumne

Politiker lügen, Medien hetzen, die Propagandamaschine läuft. Während manche Ereignisse jahrelang hochgekocht werden, sollen andere in Vergessenheit geraten. Einmal im Monat schauen wir an dieser Stelle zurück, lesen alte Nachrichten erneut und prüfen, was daraus geworden ist.

Vor einem Jahr musste sich die deutsche Medienlandschaft mit einem Text herumschlagen, den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) als bischöflichen „Eiertanz um die Atombombe“ zusammenfasste. Am 21. Februar veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz ihr neues Grundsatzpapier „Friede diesem Haus“. Schon der Titel war verräterisch, denn dieses Haus ist eben dieses Haus und kein anderes. Passend dazu hatten die katholischen Würdenträger auch eine Reihe von durchaus „Zeitenwende“-tauglichen Ansichten niedergeschrieben. NATO-Truppen an der Ostgrenze, Aufrüstung und die Verlegung von Militärgerät seien „angesichts einer fundamental veränderten Bedrohungslage alternativlos“, aber auch „Ausdruck eines völlig zerrütteten Vertrauensverhältnisses zwischen Russland und dem Westen“, hieß es da.

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Auf das Wohlwollen der Kriegsmedien stießen die Bischöfe trotzdem nicht. Das lag vor allem an einem Satz: „Es ist höchste Zeit, aus der Abschreckung mit nuklearen Mitteln auszusteigen.“ Stattdessen sollte auf eine Abschreckung ohne Atomwaffen umgestellt werden. So was kann man nicht gebrauchen, befand die FAZ, und fragte: „Meinen sie das ernst?“ Die Antwort kam vom Theologen Heinz-Günther Stobbe, der an dem Papier mitgearbeitet hatte. Zur nuklearen Abschreckung sagte er der FAZ: „Ich bin eigentlich froh, dass es sie jetzt gibt. Ich weiß nicht, was in dem Kopf des russischen Präsidenten vor sich geht.“ Anders formuliert: Mit der Auslöschung der Schöpfung darf man nur drohen, wenn man den Feind nicht so richtig versteht. Frei nach der alten Benediktinerregel: Bete, arbeite, hau den Russen.

An dem Tag, an dem die Bischöfe ihr Papier veröffentlichten, lieferte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Eiertanz der ganz anderen Art. Bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts korrigierte er die Wachstumsprognose der Bundesregierung von 1,3 auf 0,2 Prozent. „Wir kommen langsamer aus der Krise als erhofft“, dämpfte er die Stimmung, bevor er zur Jubelnachricht überleitete. Da die Inflation „gezähmt“ sei und die Löhne stiegen, würden Arbeiterinnen und Arbeiter „endlich auch real wieder mehr Geld im Portemonnaie“ haben. Was es nun brauche, sei eine „Haltung des Unterhakens“.

Ein Jahr des Unterhakens später ist Habecks Wirtschaftspolitik gescheitert und die Ampel Geschichte. Im Dezember des vergangenen Jahres lagen die Verbraucherpreise 2,6 Prozent über den Rekordwerten vom Dezember 2023 – Treiber waren Lebensmittel und Dienstleistungen. Die „gezähmte“ Inflation schlug weiter Löcher in die Geldbeutel, die Reallohnverluste und Preissteigerungen der vorangegangenen Jahre konnten nicht ansatzweise aufgefangen werden.

Habeck nahm es mit Humor. Für die Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts 2025 kramte er seine alte Rede wieder hervor, verfremdete das Selbstplagiat jedoch geschickt. War die deutsche Wirtschaft im Jahr 2024 noch „in schwerem Fahrwasser“, so ist sie im Jahr 2025 „in einer schwierigen Ausgangslage“. Aus der „gezähmten“ Inflation ist in Habecks Rede eine „zurückgedrängte“ geworden. Die „steigenden Reallöhne“ aus dem Vorjahr sind in diesem Jahr „wieder spürbare Reallohnzuwächse“. Und natürlich gilt weiterhin: „Die Menschen haben wieder mehr Geld im Portemonnaie.“

Nachdem die Frage des Atomkriegs nun theologisch abgeschlossen ist, könnten sich die deutschen Bischöfe vielleicht am Beispiel von Habecks Heilsversprechen mit dem Geist der Wahrheit nach dem Johannes-Evangelium befassen: „Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.“ Wer’s glaubt!

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"Was bisher geschah", UZ vom 21. Februar 2025



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