Die Aufregung ist groß, es rauscht im Blätterwald, aber auch an den Börsen, in den Staatskanzleien und den Chefetagen der Konzerne. Die bange Frage lautet: Was wird Donald Trump für die Weltwirtschaft bringen? Wird seine Wahl zu einem „Wendepunkt für die Globalisierung“ fragt Philipp Plickert in der FAZ, Alexander Görlach sieht in der „Wirtschaftswoche“ das Projekt des Westens auf der Kippe, ja sogar die Errungenschaften des Humanismus und der Aufklärung. Die britische Ökonomie-Zeitschrift „Economist“ sieht die offenen Märkte und die klassische liberale Demokratie in Gefahr. Falls Trump seine Ankündigungen umsetzen würde, drohe ein voll entfesselter Wirtschaftskrieg, warnt das renommierte Blatt.
Zentrale Vorhaben Trumps sind Steuergeschenke für Unternehmen und Besserverdiener, die Deregulierung von Vorschriften und ein großes Konjunkturpaket mit Investitionen in die Infrastruktur. Mehr als eine Billion Dollar in den nächsten zehn Jahren soll investiert werden. Aufrüstung ist wieder ein Teil des „keynesianischen“ Programms, wie bei Roosevelt und Reagan, mit dessen Wirtschaftspolitik Trump am häufigsten in Verbindung gebracht wird. Das Geld soll durch neue Schulden kommen und durch die „Repatriierung“ der im Ausland angehäuften Unternehmensgewinne, die mit 10% pauschal besteuert werden sollen. Trump hatte außerdem angekündigt, auf ausländische Waren Zölle zu erheben, um diese teurer und in Amerika produzierte Produkte attraktiver zu machen.
Ende versöhnlicher Handelspolitik
Der Chefstratege Trumps, Steve Bannon träumt von einer „nationalistischen Wirtschaftsbewegung, in der Konservative und Populisten vereint sind.“ In einem an den Fernsehsender CNN durchgesickerten Diskussionspapier des Übergangsteams Trumps wird das Ziel betont, in künftigen Vereinbarungen deutlich stärker Interessen amerikanischer Unternehmen und Arbeitnehmer wahren zu wollen, wie in der FAZ berichtet wurde. In dem Papier heißt es: „Der Trump-Handelsplan bricht mit den globalistischen Flügeln beider, der Republikanischen und der Demokratischen Partei. Trumps Regierung wird Jahrzehnte einer versöhnlich-nachgiebigen Handelspolitik umkehren“. Dabei geht es vor allem um die Überprüfung und Neuverhandlung des Freihandelsabkommens mit Mexiko und Kanada (Nafta) und die Frage, ob China zu einem Währungsmanipulator erklärt wird.
Manche Institute gehen von einem Impuls für das Wirtschaftswachstum aus, andere prophezeien das Gegenteil. Ein stärkerer Dollar könnte den deutschen Konzernen nutzen, die ihre Produkte billiger verkaufen könnten oder ihnen schaden und zu einem Rückgang des Außenhandels führen. Marcel Fratzscher vom DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) warnt, Deutschland könne zum Verlierer werden und fordert Konjunkturpakete und eine stärkere Öffnung zu den asiatischen Märkten. Clemens Fuest, der Chef des Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts meint, die Wahl Trumps sei ein „Weckruf an die Europäer“, die ihre internen Streitigkeiten einstellen und ihre Interessen gemeinsam effektiver vertreten müssten, dazu gehöre auch der Aufbau einer europäischen Armee.
Hintergrund für die zunehmenden protektionistischen Tendenzen (nicht nur in den USA) und das zähe Ringen um Freihandelsabkommen ist der seit Jahren sinkende Welthandel, der 2016 nur um 1,7 Prozent wachsen wird. Je kleiner der Kuchen, desto erbitterter wird um seine Stücke gestritten. Die Expansion des Kapitals befindet sich real auf dem Rückzug in Folge der Krise, nicht in Folge der Wahl von Staatschefs.
Reflationierung oder Crash
Der Ökonom Daniel Stelter geht in der „Wirtschaftswoche“ davon aus, dass Trump nichts am grundsätzlichen Problem der Stagnation ändern, er aber zu einem „Game Changer“ werden könne, dass er also die Spielregeln ändern könne. Die Situation gleiche einem Scheideweg, entweder werde es zu einer Reflationierung, also einer Zunahme der Inflation, damit zur Entwertung der Schulden und auch der Vermögen kommen oder es komme wegen der steigenden Zinsen zu einem Verkauf von Vermögenswerten, um Schulden zu begleichen. Dies könne zu einer „sich selbst beschleunigenden Abwärtsbewegung und letztlich zum Crash“ führen.
Der britische Blogger-Ökonom Michael Roberts erinnert daran, dass die von Trump angekündigte Politik von Japan in den letzten Jahren verfolgt wurde und kläglich scheiterte. In die marode Infrastruktur müsse zwar investiert werden, das meiste davon würde aber als Gewinn in die Kassen der Baufirmen fließen, unter anderem in die von Trump. Jobs und Wachstum würden dadurch kaum generiert werden können. Auch in der oft verglichenen Roosevelt-Ära wurde erst durch Beginn des Kriegs die Arbeitslosigkeit deutlich gesenkt. Es wird ein Mix aus „keynesianischen“ und „neoliberalen“ Maßnahmen sein, unter anderem die Deregulierung der Märkte und der Arbeitsbedingungen, um die Profite zu steigern.
Die Lage der Arbeiterklasse dürfte sich – ebenso wenig wie in den letzten acht Jahren – nicht verbessern. Trump hatte anklingen lassen, die staatliche Senioren-Krankenversicherung Medicare zu „modernisieren“, also zu privatisieren, also zu kürzen. Die Gewerkschaften befürchten, Trump könne am Mindestlohn und an Regelungen zur Überstundenzahlung rütteln und Arbeitsplätze bei Franchise-Unternehmen wieder deregulieren. Als Arbeitsminister ist Scott Walker im Gespräch, der für seine antigewerkschaftlichen Gesetze bekannt ist. Die angekündigten Repressionen gegen Einwanderer werden den Druck auf die besonders schlecht geschützten Arbeiter erhöhen und damit auch auf die Löhne.
Das neue Verständnis für die „Vergessenen“ oder „Verlierer“ der Globalisierung dürfe nicht höhere Löhne und Renten bedeuten. Volkswirte der Commerzbank warnen, „in diesem Klima ist es schwierig, unpopuläre Reformen zu beschließen.“ Auch der Chef des den Arbeitgeberverbänden gehörenden Wirtschaftsforschungsinstituts „IW“ Michael Hüther, fürchtet, „für Europa würde es bei einflussreichen nationalistischen Kräften natürlich schwerer, Reformen anzuschieben.“ Dies dürfte sich als falsch herausstellen, wenn auch die nationalistische Trump-Regierung die „nötigen Reformen“, also Druck auf Arbeit und Soziales erhöhen wird, wozu in den letzten Jahren häufig die sozialdemokratischen Parteien besser geeignet waren.