Wladimir Lenin war einer der flammendsten Kämpfer gegen Ausbeutung aller Art weltweit! Andererseits war Lenin der entscheidende Architekt der „Neuen Ökonomischen Politik“ nach dem Ende des Bürgerkrieges. Diese bedeutete die Zulassung von einheimischem und ausländischem Kapital zur Wiederbelebung der durch Krieg und Bürgerkrieg völlig zerrütteten Volkswirtschaft in Sowjetrussland. Lenin betonte dabei die Absicherung der politischen Herrschaft der Sowjets, sprich, der Arbeiterklasse im Bündnis mit den armen Bauern. Dennoch beinhaltete diese Wendung eine – wenn auch begrenzte – Wiederzulassung von Ausbeutung, also Profitmacherei durch private Aneignung des Mehrwerts.
Lenin sah dies als Dilemma, aber er sah auch keine realistische Alternative zur ökonomischen Rettung der sozialistischen Revolution, damals alleingelassen von der internationalen Arbeiterbewegung: Lieber zeitweilig unter Nutzung von Privatkapital bei politischer Dominanz der Kommunistischen Partei das Land vorwärts entwickeln und damit die Perspektive einer schrittweisen Überwindung der Ausbeutung offenhalten anstatt heroisch-puristisch unterzugehen!
Diesen Grundgedanken griffen die Chinesen für ihr damals bettelarmes unterentwickeltes Land durch die Politik der „Reform und Öffnung“ in großem Stil auf – und können seit rund 45 Jahren erstaunliche Fortschritte vorweisen.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass zwar durch die Zulassung von privatkapitalistischer Marktwirtschaft auch das Tauschwertprinzip Einzug hielt, dass aber nachweislich durch die politische Herrschaft der KPCh mit staatlicher Planwirtschaft das Gebrauchswertprinzip zugunsten der gesamtchinesischen Gesellschaft die Oberhand behält. Dabei stützt sich die KPCh auf die Dominanz staatlicher Betriebe in allen strategischen Sektoren sowie auf den Staatsbesitz an Grund und Boden.
Die Chinesen halten diese Art von „Kampf und Einheit der Gegensätze“ nicht nur aus, sie vertiefen auch die praktisch-theoretische Weiterentwicklung unserer Weltanschauung.
Dem interessanten philosophischen Ansatz von Noam Wood (UZ vom 16. Dezember 2022) ist hinzuzufügen: Nicht nur der übergreifende Hauptwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit ist ausschlaggebend für die Lösung, sondern eben auch die Gesamtheit aller Widerspruchsprozesse im Sinne von Georg Wilhelm Friedrich Hegel („Das Ganze ist das Wahre“) oder Friedrich Engels („Dialektik als Wissenschaft des Gesamtzusammenhangs“). So gesehen tun die Chinesen das Richtige, indem sie bei aller prinzipiellen Orientierung am sozialistischen Ziel betonen: „Die Wahrheit in den Tatsachen suchen!“
Die Tatsachen geben ihnen erstaunlich recht – bei nicht unkomplizierten Problemen und Widersprüchen dieses Weges. Sie verbinden diesen Kurs mit der fortschreitenden realen Ermächtigung ihrer Arbeiterklasse durch das fortschrittlichste Arbeitsrecht der Welt sowie durch zunehmende Organisation nicht nur in den Gewerkschaften, sondern auch in den Betriebsgruppen der KPCh, die den realen Klassenkampf an der Basis anführen. China ist auch das streikfreudigste Land der Welt! Zugleich wird systematisch der Bildungsgrad der Gesamtbevölkerung angehoben. Die allseitige Bildung des „Faktors Mensch“ ist schließlich die letztentscheidende Produktivkraft – und hierin liegt der unschlagbare Vorteil einer sozialistischen Gesellschaft gegenüber einer kapitalistischen Ausbeutergesellschaft.
Alles in allem: Wenn es dem vereinigten Imperialismus gelänge – was wir alle nicht hoffen und mit aller Macht verhindern müssen –, den chinesischen Anlauf zum Sozialismus militärisch zu zerschlagen, wäre es mehr als fraglich, ob die Menschheit dann noch eine reale Chance zum Überleben hätte! Umgekehrt: Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, um unseren chinesischen Genossinnen und Genossen ihre Chance des sozialistischen Weges zu erhalten – im Interesse der Arbeiterklasse der ganzen Welt und aller Fortschrittskräfte!