Das Resultat der Landtagswahlen im Saarland sorgt derzeit sicher nicht nur bei den Spitzenpolitikern der Grünen für Unruhe. Ist dieses Ergebnis nur den „regionalen Besonderheiten“ geschuldet? Oder waren es die Themen der Grünen, die die Wählerinnen und Wähler nicht überzeugten? Wie das Thema „soziale Gerechtigkeit“, mit denen die SPD aktuell an Zustimmung gewinnt? Oder das von den Umfrageinstituten zunächst vorausgesagte Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und SPD? Hatte Günther Oettinger, der EU-Kommissar und frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg Recht, als er vor einigen Wochen meinte: „Wenn zwei Elefanten im Raum sind, haben die Mäuse ein Problem“? Die „Zeit“ am Montag: „Für die Mäuse wird es eng.“
In der „Nachlese“ wird deutlich, wie groß die Verunsicherung unter den Spitzenpolitikern der Grünen ist. In 11 Bundesländern sitzen die Grünen mit in der Regierung: Wird sich im „Superwahljahr“ – vielleicht mit Ausnahme der Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, bei denen ein zweistelliges Ergebnis zu erwarten ist – der derzeitige Abwärtstrend fortsetzen? Warum? In aktuellen bundesweiten Umfragen liegt die Partei derzeit bei sieben bis acht Prozent. In NRW, dort wird am 14. Mai gewählt, würden die Grünen aktuell nur sechs Prozent erreichen, die bisherige Regierungskoalition aus SPD und Grünen wird wahrscheinlich ihre Mehrheit verlieren.
Ist eine Trendwende möglich? Und mit welchen Themen? Wann kommt der grüne „Urknall“? Oder liegt es am – altgedienten – Spitzenpersonal? Am Montag reagierte die Spitzenkandidatin der Grünen zu den Bundestagswahlen, Katrin Göring-Eckardt, in der Bundespressekonferenz ziemlich hilflos: „Wenn wir eine Urknallidee hätten, würden wir sie höchstwahrscheinlich zünden.“ Inhaltlich fiel ihr auch nichts ein: „Grüne“ Themen kämen eben derzeit nicht an. Sie kündigte an, für den künftigen Wahlkampf ihren „Terminkalender in die Tonne“ zu werfen und wie Cem Özdemir „im Land unterwegs zu sein“. Für die Bundestagswahl im September gelte nach wie vor: „Wer keine Große Koalition will, der muss sein Kreuz bei den Grünen machen.“ Eine Koalitionsaussage aber lehnte sie ab.
Der zweite Spitzenkandidat der Grünen und Parteivorsitzende, Cem Özdemir, hatte sich vor dem Wahlsonntag im Saarland wenigstens bemüht, auf einer Veranstaltung der Berliner Grünen, auf der die Landesliste zu den Bundestagswahlen gewählt wurde und auf einer Konferenz inhaltlich zu punkten. Auf der Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung „Was ist die grüne Erzählung“, über die das ARD-Hauptstadtstudio am 25. März berichtete, diskutierte er in Berlin mit Philosophen, Politikern und Wirtschaftsexperten über grüne Themen und Standpunkte. Özdemir möchte, wie er in einem Vortrag verriet, das Thema soziale Gerechtigkeit gern über die Wirtschaft „absichern“. Aufstiegschancen müssten verbessert werden, der Staat dürfe aber nicht alle „bemuttern“. Um zu verhindern, dass Strukturwandel dazu führe, dass Teile der Gesellschaft abgehängt werden, müsse man rechtzeitig in zukunftsfähige Technologien investieren. Und da geht es natürlich vor allem auch um erneuerbare Energie und Umweltschutz. Laut Özdemir könnten staatliche Regulierungen der Wirtschaft dabei als Innovationsmotor dienen. Doch er ergänzte: „Am Ende, da darf man sich nichts vormachen: dass man nicht nur mit moralischen Argumenten überzeugt, man muss mit schwarzen Zahlen überzeugen.“ Schwarze Zahlen. Mh, für wen wohl?
Wofür stehen die Grünen? Aus der Partei kommen seit längerem widersprüchliche Signale, allein die Ökologie ist das Verbindende: Für und wider eine Koalition mit SPD und Linkspartei auf Bundesebene. Für und wider eine schwarz-grüne Koalition. Letztere würden vor allem der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann, aber auch Özdemir – obgleich der auch „Rot-Rot-Grün“ in Berlin lobt – favorisieren. Katrin Göring-Eckardt möchte weder mit Horst Seehofer noch mit Sahra Wagenknecht koalieren.
Ein Teil der Partei ist gegen jegliche Abschiebungen, ein anderer für Abschiebungen unter bestimmten Bedingungen. Die „Süddeutsche“ schrieb dazu am 19. Februar. Als das Papier, als internes geplant, von der Kretschmann-Seite als begrenztes Ja zu Abschiebungen öffentlich gemacht wurde, fühlten sich andere derart desavouiert, dass sie sofort widersprachen – und die Öffentlichkeit so das Gefühl verlor, was die Grünen wirklich möchten.“ Und so geht es den Grünen auch in anderen Fragen.
Die Grünen haben kein erkennbares Profil, kein Wahlprogramm und kein Spitzenpersonal, das in der gegenwärtigen Situation Massen von Wählerinnen und Wählern mobilisieren könnte.
Allerdings gibt es aus der Partei auch andere Ansagen: So beispielsweise aus Berlin. Dort wählten in der vergangenen Woche die Grünen die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus auf den 1. Platz ihrer Landesliste für die Bundestagswahl. In ihrer Rede betonte sie, dass sie sich gerne anlege „mit der Autolobby; mit gewissenlosen Bankern, mit Immobilienspekulanten, die Berliner Wohnungen zur heißen Ware machen“. Sie betonte, den Ausverkauf des Dragoner-Areals in Kreuzberg gemeinsam mit Aktivisten verhindert zu haben. „Wir werden Miethaie zu Fischstäbchen machen“. Das kam wohl an.