Dass die Medien einen Professor der Bundeswehruniversität zurate ziehen, wo eigentlich Lösungen gefragt sind, spiegelt die Zeiten. Dass ein CDU-Mitglied des Bundestagsverteidigungsausschusses interviewt wird, wäre dagegen nicht ungewöhnlich, dient heute jedoch der Angstmobilisierung. Der CDU-Mann kann als Qualifikation eine Bundeswehrkarriere und ein Studium an jener Münchner Universität vorweisen, an der der Professor lehrt. Der bekam in sich selbst erfüllender Prophezeiung diesen Sommer die Lichtenberg-Medaille der Akademie der Wissenschaft zu Göttingen für „in der Öffentlichkeit angesehene Wissenschaftler“. Der Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg wusste, dass es sich vom Wahrsagen besser leben lässt als vom Wahrheit sagen – dass er hier als Preisnamensgeber missbraucht wird, hätte Lichtenberg angesichts der dieser Verleihung innewohnenden Komik also weglächeln können.
Wenn Professor Masala im Deutschlandfunk und Oberst a. D. Kiesewetter im Westdeutschen Rundfunk keine noch so winzige und gar nicht einmal kritische, sondern wenigstens logische Nachfrage gestellt wird, spiegelt das die Zeiten umso mehr. Der eine bedauert, dass Frankreich oder Großbritannien ihre Atombomben nicht der EU (damit auch Deutschland) zur Verfügung stellen und sowieso dafür noch die gesellschaftliche Zustimmung fehle – und der andere fordert ungeachtet aller Konsequenzen „Taurus“-Raketen für die Ukraine (wessen sich nur noch das Kanzleramt verweigere), um gleichzeitig zu versichern, „Wir sind Kriegsziel, aber nicht Kriegspartei“. Es sind Zeiten, in denen der Journalismus eine Hofberichterstattung nicht wie noch in Merkels Epoche gegenüber der Regierung, sondern gegenüber dem militärisch-industriellen Komplex vollzieht. Scholz spurt nicht, wird also übergangen.
Der denkende Mensch erwartet ja gar nicht mehr, dass die WDR-Interviewerin von NATO-Staaten geführte ehemalige und aktuelle Kriege ins Spiel bringt, wenn Kiesewetter Moskau ins Stammbuch schreibt, dass „Krieg heute nicht mehr geht“. Auch hofft er nicht, dass von der DLF-Journalistin erwogen würde, dass die Ukraine für einen Stellvertreterkrieg benutzt wird, wie er – vielleicht an der Universität der Bundeswehr – illustrativer gar nicht beschrieben werden könnte. Vielmehr befürchtet er, dieses journalistische Niveau irgendwann nicht mehr weglächeln zu können.