Spannende Zeiten, schwierige Aufgaben: Patrik Köbele, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei, stimmte die Mitglieder der DKP anlässlich des Jahresauftakts auf die anstehenden Kämpfe ein. Zentral ist der Aufbau einer breiten Friedensbewegung und der Kampf gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Wir dokumentieren seine Rede geringfügig bearbeitet:
Welch eine spannende Zeit! Wenn ich mich hier im Saal umsehe, haben ja doch viele von uns die Konterrevolutionen in den europäischen Ländern des Sozialismus miterlebt. Wer von uns hätte gedacht, dass wir in unserem Leben noch Zeuge werden, wie der Imperialismus verzweifelt um seine Hegemonie kämpft, und das zu solchen Blüten führt wie die Gebietsansprüche von Trump auf Grönland und Kanada.
Welch eine spannende Zeit. Noch viel mehr von uns haben miterlebt, wie eine SPD-Grünen-Bundesregierung den deutschen Imperialismus gegen das unbotmäßige Jugoslawien in einen völkerrechtswidrigen Krieg führte. Die Champagnerkorken in den Chefetagen des Monopolkapitals dürften geknallt haben – endlich sind wir wieder dabei. Heute erleben wir ihre Zwickmühle: dass dabei sein eben auch bedeutet, sich dem Kampf des Imperialismus ums Überleben unterzuordnen. Da muss man sich dann eben auch die günstige Energiezufuhr und zwei Gaspipelines von den eigenen Freunden wegsprengen lassen.
Ich gebe zu: Es wäre vermutlich angenehmer, man könnte als Zuschauer von außen mit großen Sympathien die antiimperialistischen Kräfte anfeuern, nach vorne und zum Sieg treiben, wie Zuschauer bei einem Fußballspiel. Wir stecken aber eher im vermatschten Strafraum des einstigen Überfliegers fest, der jetzt – hoffentlich endgültig – auf der Verliererstraße ist und uns dabei leider versucht, immer tiefer in den Morast zu trampeln, fürchtend, dass wir seine Verteidigung von innen unterminieren.
Nun gut, ich verlasse dieses Fußball-Bild.
Die Ampel zerbrach nicht daran, ob die Kriegspolitik endlich gestoppt wird, die Gefahr eines Krieges auch in Deutschland abgewendet wird. Sie zerbrach nicht daran, dass im 80. Jahr der Befreiung von Krieg und Faschismus kein Krieg gegen Russland geführt, kein deutscher Panzer nach Russland rollen darf, kein Völkermord gegen die Palästinenser unterstützt werden kann.
Die beiden Kerne des Bruchs waren: Erstens: Wie groß muss das Butterflöckchen sein, mit dem die öffentliche Meinung geschmiert wird, um die Erhöhung der Anzahl der Kanonen durchzubringen? Über die Erhöhung der Anzahl der Kanonen ist man sich weitgehend einig – auch mit der CDU. Ausnahme vielleicht die „Taurus“-Eskalation. Da weiß nur keiner, ob Olaf Scholz das nicht vergisst. Das Problem des Butterflöckchens und damit der Schuldenbremse war eher die Frage des Modells VW. Übersetzt: Bis zu welchem Kahlschlag, bis zum Zerschlagen von wie viel tausend Arbeitsplätzen und wie vielen Standorten lässt sich den Menschen vorgaukeln, dass das ja alles „sozialverträglich“ sei.
Der zweite Kern des Bruchs ist ein Wettlauf der Inhumanität. Dort erhöht sich die Anzahl der Wettlaufenden, neben der CDU auch um die AfD und leider auch das BSW. Kriege und internationale Ausplünderung führen zu Flucht und Migration. Geflüchtete und Migranten lassen sich dann wunderbar benutzen, um die Konkurrenz unter den Ausgebeuteten zu erhöhen. Wenn man es dann noch schafft, allen vorzumachen, dass daran die Geflüchteten schuld seien, dann hat man gewonnen und führt den Streit nur noch darüber, wie groß der Anteil derer ist, die hierbleiben dürfen, weil sie sich für den Profit und für die Konkurrenz gut verwerten lassen.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, das widert mich an.
Aber Anwidern wäre nur moralisierend. Was tun?
Da fange ich mal mit dem Schlechten an. Diese Bundestagswahlen verlangen eigentlich dringend die Kandidatur der Partei des Friedens und des Sozialismus, des Antiimperialismus und des proletarischen Internationalismus. Sie verlangen also die Kandidatur der DKP. Aber wir haben nicht die Kraft, eine flächendeckende Kandidatur abzusichern, schon gar nicht in der verkürzten Zeit. Das müssen wir ändern. Das können wir aber nicht, indem wir in einigen Bundesländern kandidieren und in vielen anderen nicht. Wir haben deshalb die schwierige Entscheidung getroffen, nicht zu diesen Bundestagswahlen anzutreten. Für mich war es eine der schwierigsten Entscheidungen, seit ich Vorsitzender unserer Partei bin.
Wir brauchen einen langen Atem. Wir schlagen unserem Parteitag vor, den Kampf gegen das Programm, dieses Land kriegstüchtig zu machen, in den Mittelpunkt des Kampfes der nächsten Jahre zu stellen. Kriegstüchtig – das heißt ja nichts anderes als kriegsfähig, und kriegsfähig, das heißt nichts anderes als: Wenn „wir“ können, dann werden „wir“ es wollen. Bevor Trump mit seiner Forderung kam, die Rüstungsausgaben auf 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, war Habeck schon mit 3,5 Prozent da. Er lässt ja jetzt bundesweit sein Porträt an Gebäude projizieren – mit der Überschrift „der Bündniskanzler“. Kurz hatte ich mich gefragt, was er damit meint, dann ging es mir auf: Mit „Bündnis“ meint er die NATO, die nach den Nazis größte Kriegsverbrecherorganisation der Geschichte. Habeck, Baerbock, grüne Partei – ist heute nur noch Kriegstreiberei.
Kriegstüchtig bis 2029, und ab 2026 neue US-Erstschlagraketen in unserem Land, die den Krieg anziehen wie ein Misthaufen die Fliegen – das darf nicht sein. Wir werden Wahlkampf machen mit dem Berliner Appell gegen die neuen Raketen und „Wählt keine Kriegstreiber!“ Unsere Söhne und Töchter, unsere Enkelinnen und Enkel bekommt ihr nicht. Wählt niemanden, der für Wehrpflicht ist. Wählt niemanden, der für den Kahlschlag, den Umbau zur Kriegswirtschaft steht. Wählt nicht die Hochrüster, die Lobby von BlackRock und Rheinmetall – das sind die Damen und Herren der einstürzenden Brücken, der maroden Bahnen, des fehlenden Personals, der geschlossenen Krankenhäuser und der maroden Schulen.
Wir werden Wahlkampf machen für eine große und politisch breite Friedensbewegung. Wir werden nicht ausgrenzen, weil jemand eine Kriegstreiberpartei inklusive der AfD gewählt hat. Wir werden nicht ausgrenzen, wenn jemand in einer Partei ist, deren Vorsitzender meint, ein Friedenskämpfer zu sein, aber für die Verschärfung des Handelskriegs ist. Wir werden nicht ausgrenzen, wenn jemand einer Partei anhängt, die (noch) stabil in der Friedensfrage ist, das aber mit Rassismus in der Migrationsfrage verbindet. Wir werden nicht ausgrenzen, wenn jemand meint, dass die Kriegstreiber in der SPD Sozialdemokraten seien. Wir grenzen keine Konservativen aus, wir grenzen noch nicht mal Wähler von FDP oder Grünen aus – solange sie ehrlich mit uns gegen die Stationierung der US-Raketen als zentralem Schritt zur Kriegstüchtigkeit sind.
Aber: Wir werden sie alle mit ihrer eigenen Widersprüchlichkeit konfrontieren.
Man ist nicht für die Menschen in diesem Land, wenn die Partei, in der man ist oder die man wählt, für den Krieg eintritt, egal, ob es der Krieg gegen Russland, der hybride Krieg gegen China oder der Völkermord Israels am palästinensischen Volk ist.
Man ist nicht für die Menschen in diesem Land, wenn man die Infrastruktur, das Leben der Menschen, ihr soziales Auskommen, der Hochrüstung, der Umstellung auf die Kriegsproduktion, den Profiten des Monopolkapitals zum Fraß vorwirft.
Man kann nicht für die Menschen in diesem Land sein, solange man andere Nationen mit Sanktionen, Krieg oder neokolonialer Ausbeutung in eine sogenannte „Werteordnung“ drängt, die nicht den Völkern der Welt, wohl aber den Interessen des Monopolkapitals des noch hegemonialen Imperialismus dient.
Man ist nicht für die Menschen in diesem Land, wenn man diejenigen ausgrenzt, die über Jahrzehnte und mehr für die Profite des deutschen Monopolkapitals ausgebeutet wurden, die diesem Monopolkapital ermöglichten, die deutschen Werktätigen mit Brotkrumen zu besänftigen und gleichzeitig Krieg und Ausbeutung in die Welt zu tragen.
Man ist eben nicht für die Menschen in diesem Land, solange Ökologie nur dann wichtig ist, wenn sie von Kriegen und Hochrüstung als Hauptzerstörer der Umwelt ablenkt.
Was heißt das nun alles für uns, für die DKP und ihre Mitglieder?
Wir werden den Wahlkampf nutzen, um den Kampf gegen die Strategie der Kriegstüchtigkeit zu intensivieren. Wir werden den Wahlkampf nutzen, um den Kampf gegen die Stationierung neuer US-Raketen zu intensivieren. Wir werden den Wahlkampf nutzen, um den Berliner Appell bekannt zu machen und Unterschriften dafür zu sammeln.
Aber das alles ist nur ein Warmlaufen. Denn wir müssen uns dem reaktionär-militaristischen Umbau der Gesellschaft auf allen Ebenen entgegenstellen. Unsere Hauptaufgabe dabei bleibt der Kampf um das Zurückdrängen der weitgehenden Integration der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in den Kriegs- und Krisenkurs der Herrschenden.
Dazu muss klar werden, dass solche Schweinereien wie die Forderung nach einem Karenztag von Allianz-Chef Bäte die andere Seite der Kriegspolitik der Herrschenden sind. Man muss und soll ja nicht amerikanisch darauf reagieren. Dort ist ja einer Volksheld geworden, weil er einen Versicherungsmanager erschossen hat. Aber man muss auf solche Provokationen reagieren. Sie trauen sich, solche Provokationen zu starten, weil sie hoffen, dass die Arbeiterbewegung in der Krise nicht kämpft. Und bisher gibt ihnen da vieles recht.
Das ist aber auch ihre Achillesferse. Treten wir rein!
Wie?
Indem wir die Ostermärsche vorbereiten. Indem wir vor Ort die Kolleginnen und Kollegen zusammenbringen, die den Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ unterzeichnet haben.
Indem wir in Gewerkschaften und Betrieben, in Schulen und Universitäten über die geplante Stationierung der US-Raketen, über ihren Charakter als Erstschlagswaffen informieren und für die Unterstützung des Berliner Appells werben.
Indem wir die Strukturen der Friedensbewegung stärken, lokale, betriebliche Friedensinitiativen bilden, aktivieren und stärken. US-Raketen stoppen – kriegstüchtig ohne uns!
Indem wir den Tag der Begegnung in Torgau und bundesweit den Tag der Befreiung, den Tag des Sieges am 8. und 9. Mai vorbereiten. Wir lassen nicht zu, dass das Gedenken an 27 Millionen sowjetische Menschen geschändet wirc, die für unsere Befreiung, gefallen sind. Dank Euch, ihr Sowjetsoldaten! heißt: Frieden mit Russland.
Indem wir um die Jugend kämpfen. Unser Vorteil: Wir haben einen kämpferischen, einen tollen Jugendverband an unserer Seite. Kriegstreiber – unsere Kinder und Enkel bekommt ihr nicht! SDAJ und DKP tun den Kriegstreibern und Monopolen weh. Lasst uns überall gemeinsam das Festival der Jugend an Pfingsten vorbereiten.
Indem wir den proletarischen Internationalismus stärken, nach innen: gegen Rassismus, Hatz gegen Flüchtlinge und Migranten, nach außen: Solidarität mit dem palästinensischen Volk – Free Palestine! Solidarität mit dem sozialistischen Kuba und der Kommunistischen Partei Kubas – Cuba sí, Yankee no!
Und vor allem, indem wir die DKP stärken. Eine stärker werdende Partei des Friedens, des Sozialismus, des Antiimperialismus und des proletarischen Internationalismus. Eine stärker in der Arbeiterklasse verankerte Partei des Friedens, des Sozialismus, des Antiimperialismus und des proletarischen Internationalismus. Eine vor allem auch im Osten wachsende Partei des Friedens und des Sozialismus, des Antiimperialismus und des proletarischen Internationalismus. Eine jünger werdende Partei des Friedens und des Sozialismus, des Antiimperialismus und des proletarischen Internationalismus.
Das ist das Schlimmste, was wir dem Imperialismus antun können. An die Arbeit! Rot Front!