Position: Die SDAJ unterstützt den Wahlantritt der DKP, doch beide Organisationen lehnen die EU eigentlich ab. Warum kandidiert ihr trotzdem?
Lena Kreymann: Die DKP ist auf dem Wahlzettel die einzige Kraft, die eine konsequente Haltung zur EU an den Tag legt. Im Wahlprogramm macht sie klar, dass die EU für Grundrechteabbau, Militarisierung und Aufrüstung, für Flucht, Armut, Privatisierung und Sozialabbau verantwortlich ist – und das alles im Interesse des deutschen Kapitals. Der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel hat es 1993 so zusammengefasst: Es gelte „nach außen etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: Im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potenzial entspricht“. Das heißt, dass Deutschland mit der EU das geschafft hat, was mit zwei Weltkriegen nicht gelungen ist. Darüber hinaus macht sich die DKP auch keine Illusionen darüber, dass die EU einfach nach unserem Interesse umzugestalten sei. Denn die EU wurde mit dem Ziel gegründet, die Ausbeutungs- und Verwertungsbedingungen für die Herrschenden zu verbessern, es ist in ihre Grundfesten eingeschrieben. Diese Haltung wollen wir im Wahlkampf vermitteln und damit der herrschenden Darstellung von der EU als Friedensmacht, die uns Freizügigkeit und ein besseres Leben ermöglicht, etwas entgegenstellen.
Position: Sonst erzählt ihr doch immer, man müsse im Alltag an Schule und Uni kämpfen. Da passt doch so ein Wahlantritt trotzdem nicht besonders gut dazu.
Lena: Am Ende geht es uns gar nicht so sehr um die Stimmen, sondern darum, den Wahlkampf zu nutzen, um mit den Leuten zu diskutieren. Dabei wollen wir zum einen unsere Position zur EU vermitteln, zum anderen aber auch darüber reden, wie sich für uns langfristig etwas verändern lässt. Und das heißt für uns, dass man sich für seine Interessen einsetzen muss. Wahlen sind zwar auch ein politisches Kampffeld, das man nicht einfach dem Gegner überlassen sollte, ändern werden sie aber allein auch nichts. Denn Verbesserungen können wir nur gegen die Herrschenden durchsetzen, wenn wir uns zusammenschließen und darum kämpfen – und das fängt eben in Schule und Betrieb an. Und solange wir im Kapitalismus leben, steht alles, was wir erkämpfen, unter Beschuss. Der Sozialabbau der letzten Jahrzehnte belegt das. Deshalb geht es uns auch darum zu vermitteln, warum wir letztlich ein anderes System brauchen.
Position: Du hast den Sozialabbau angesprochen. Dagegen gehen in ganz Europa Menschen auf die Straße, zuletzt die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich. Hier in Deutschland ist es aber vergleichsweise ruhig. Warum?
Lena: Ja, eine starke Bewegung gegen Sozialabbau könnten wir hier auch gut brauchen. In der Gelbwestenbewegung drückt sich die Wut der Bevölkerung über die Einschnitte aus, die sie seit Jahren erleben. Dass sie das nicht einfach hinnehmen und dagegen Widerstand leisten ist großartig. Deshalb solidarisieren wir uns auch mit dieser Bewegung, ungeachtet dessen, was die Medien hier erzählen. In Deutschland haben leider viele das Gefühl, man könne ja eh nichts tun. Viele sind resigniert oder versuchen, ihre Probleme am Arbeitsplatz oder in der Schule alleine zu lösen, scheitern damit aber oft genug. Außerdem nehmen viele die schlechten Lebensbedingungen schon als gegeben hin, Hartz IV wurde beispielsweise nun auch schon vor 15 Jahren eingeführt. Auch deshalb müssen wir uns darauf konzentrieren, im alltäglichen Leben, bei der Arbeit oder in der Schule, überhaupt erstmal erfahrbar zu machen, dass man was verändern kann, dass man dafür aber auch etwas tun und sich organisieren muss.
Position: In verschiedenen europäischen Ländern gewinnen rechte Parteien an Stärke oder stellen sogar die Regierung – beispielsweise gleich in unserem Nachbarland Österreich. Die Medien, aber auch einige pro-europäische Bewegungen und Parteien, präsentieren die europäische Integration als Lösung gegen diesen Rechtsruck und Nationalismus. Was sagt ihr dazu?
Lena: Die EU ist ein Staatenbündnis im Interesse der Banken und Konzerne und allein deshalb keine Alternative zu rechten Bewegungen. Mittels der EU sind Sozial- und Grundrechteabbau in den letzten Jahren vorangetrieben worden. Deshalb lehnen wir die EU ab, trotzdem haben wir nichts mit rechter, nationalistischer EU-Kritik am Hut. Diese ist eine Form von sozialer Demagogie, denn sie greift das Gefühl vieler Menschen auf, dass die EU ihnen schadet, wendet dies dann aber in eine rückschrittliche Richtung. Dagegen hilft aufzuzeigen, warum die EU den Banken und Konzernen nützt und warum das nicht in unserem Interesse ist. Der überwiegende Teil des deutschen Kapitals sieht derzeit seine Interessen mit der EU besser gewahrt. Zum Beispiel sind an den immer schlechteren Lebensbedingungen nicht die Arbeitsmigranten aus Spanien und anderen EU-Staaten schuld, sondern die Unternehmen, die uns gegeneinander ausspielen, um weniger Löhne zahlen zu müssen. Genau dazu dient nämlich die Freizügigkeit innerhalb der EU – und nicht etwa der Völkerverständigung oder schöneren Urlaubszielen. Letztlich verläuft die Grenze also zwischen oben und unten, zwischen Kapital und Arbeit, nicht zwischen den Arbeitenden der verschiedenen Länder. Nationalistische Kräfte dagegen blenden den Klassengegensatz aus, rühren also nicht an den Interessen der Herrschenden.
Position: Wo trägt die EU denn zum Grundrechteabbau bei?
Lena: In der EU dominieren die ökonomisch stärksten Länder, allen voran Deutschland. Mittels der EU schafft Deutschland es beispielsweise, anderen Ländern umfassende Kürzungsprogramme – etwa im Zuge der Krise seit 2008 – aufzudrücken mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung: In Spanien ist infolgedessen ein Drittel der Jugendlichen arbeitslos. Dabei werden die Rechte nationaler Parlamente ausgehebelt. Das geht zu Lasten der Bevölkerung, denn die Politik bestimmen die Banken und Konzerne. Das Demonstrations-, Versammlungs- und Streikrecht in der EU wird seit Jahren demontiert. All diese Prozesse sind ebenfalls Teil der Rechtsentwicklung in Europa.
Position: Eingangs hast du gesagt, die EU stehe für Aufrüstung und Flucht, in den Medien wird sie uns aber als die Institution verkauft, die seit Jahrzehnten Frieden in Europa garantiert. Wie passt das zusammen?
Lena: Die EU war von Anfang an ein militaristisches Projekt: Ihre Entstehungsgeschichte hängt eng mit der Wiederbewaffnung Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg zusammen, der Lissabon-Vertrag schreibt den Mitgliedstaaten Aufrüstung vor. Das neueste Beispiel für diesen Militarismus ist PESCO, eine ständige militärische Zusammenarbeit. In diesem Rahmen führen die Staaten gemeinsame Rüstungsprojekte durch, Deutschland leitet etwa den Bau von Kampfdrohnen. PESCO bringt Deutschland näher an sein Ziel einer EU-Armee, weshalb Kriegsministerin von der Leyen es als die Gründung der „europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion“ bezeichnet hat. Die EU-Staaten, allen voran Deutschland, sorgen für so schlechte Lebensbedingungen in anderen Ländern, dass die Menschen dort ihre Heimat verlassen und flüchten. Zum einen ganz unmittelbar dadurch, indem sie in ihren Ländern Krieg führen, aber nicht nur das. Auch wirtschaftlich beuten europäische Konzerne die Bevölkerung dieser Länder aus, nutzen die Ressourcen und machen dort Profit.
Das Interview erscheint in der neuen „Position“, Magazin der SDAJ.
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